Patienten funken um Hilfe

Demenzkranke sollen in Kliniken per Funk überwacht werden, fordern Patientenvertreter. So könnten verirrte Verwirrte schneller wieder gefunden werden. Die Berliner Krankenhäuser zögern noch

VON SEBASTIAN LEHMANN
UND KARIN SCHÄDLER

Nach dem Skandal um zwei verschollene Insassen fordern Patientenvertreter eine elektronische Überwachung von Demenzkranken in Krankenhäusern. Sie sollten mit Funkarmbändern ausgestattet werden, die eine Ortung vermisster Patienten erleichtern. Die Berliner Kliniken stehen der Einführung jedoch skeptisch gegenüber. Der Krankenhauskonzern Vivantes will den möglichen Einsatz zunächst einmal prüfen. Im Universitätsklinikum Charité gibt es gar keine Planung in dieser Richtung.

Mitte Juni hatte ein 68-jähriger Rollstuhlfahrer über drei Tage unbemerkt in einem Lift des Benjamin-Franklin-Klinikums festgesteckt. Zeitgleich starb im Krankenhaus Neukölln ein dementer Patient, der sich in einen Heizungsraum verirrt hatte. Seine Leiche wurde dort erst nach sechs Tagen gefunden.

Über die Einführung individualisierter Überwachung von Demenzkranken solle man daher nachdenken, sagt Clemens Tesch-Römer, Leiter des Deutschen Zentrums für Altersfragen in Berlin. „Es wäre aber schrecklich, sich als einzige Maßnahme auf die Technologie zu verlassen und gute Betreuung und Organisation aus den Augen zu verlieren“, betont der Institutsleiter. Er plädiert zudem dafür, standardmäßig zu überprüfen, ob die Aufzüge funktionieren. „Ich bin perplex, dass das nicht jetzt schon gemacht wird“, sagt Clemens Tesch-Römer.

Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP), Wolfram Candidus, setzt auf technische Lösungen des Problems. Mit den elektronischen Armbändern könne sofort bei den Verantwortlichen angezeigt werden, wenn jemand die Station verlassen wolle, der dies nicht dürfe. „Die Risiken für die Patienten werden dadurch vermindert“, sagt Candidus. Er gibt aber zu bedenken, dass Probleme mit Demenzkranken, die etwa in Technikräumen verschwinden, nur auftreten, weil es zu wenig Personal gebe. Privatisierte Kliniken würden häufig eher an Profit und weniger an die Patienten denken, so Candidus.

An der Charité denkt man dennoch nicht an die Einführung elektronischer Armbänder. In dieser Richtung habe man konkret noch nichts geplant, sagt Sprecherin Kerstin Endele. Man wolle aber natürlich alle Möglichkeiten prüfen. Zunächst wurde erst einmal das Krankenhauspersonal angewiesen, auf hilfsbedürftige Patienten besonders zu achten, so Endele. Zudem würden die Fahrstühle jetzt jeden Abend vom Wachpersonal überprüft.

In den Vivantes-Kliniken hat man immerhin einen Arbeitskreis gegründet, der prüfen soll, inwieweit etwa Funküberwachung für verwirrte Patienten eingesetzt werden könne. „Es wird überlegt, ob man solche Armbänder einführen kann“, so der Sprecher der Vivantes-Kliniken Uwe Dolderer. Zunächst müsse aber „die Akzeptanz solcher Armbänder ganz allgemein geklärt und die gesetzlichen Möglichkeiten geprüft werden“, so Dolderer. Außerdem überlege man, das Wachpersonal aufzustocken, und überprüfe das komplette Sicherheitskonzept. Der Vivantes-Konzern betreibt neun Krankenhäuser in ganz Berlin.

Für Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) sind elektronische Armbänder kein rotes Tuch. „Armbänder, die Signalgeber enthalten, sind auf freiwilliger Basis und auf den Einzelfall abgestimmt eine Möglichkeit – aber nur eine unter vielen“, sagt ihre Sprecherin Roswitha Steinbrenner. Bei allen Maßnahmen sei es allerdings wesentlich, dass die Würde der Patienten gesichert bleibe, so Steinbrenner.