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Archiv-Artikel

„Vergleichbar mit Tibet“

VORTRAG Mustapha Abdeddaim berichtet über das Leben in den besetzten Westsahara-Gebieten

Von SCHN
Regina Dietzold

■ 67, ist Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des Vereins „Freiheit für die Westsahara“ und nach langjähriger Selbständigkeit mit einer PR-Agentur seit Kurzem in Rente.

Frau Dietzold, seit mehr als 20 Jahren schon überwachen UN-Blauhelme die Einhaltung des Waffenstillstandes in der Westsahara – ist das eine Dauerlösung?Regina Dietzold: Ich hoffe nicht. Damit nicht in Vergessenheit gerät, was dort passiert, haben wir uns vor einem Jahr gegründet – uns ist wichtig, dass das Thema zurück in die Politik kommt. Damals, also Anfang der 90er, sind die Ereignisse in Europa und in Deutschland ja von der Wiedervereinigung überlagert worden.

Was genau fordern Sie?Ein Referendum für die Saharauis, damit ihre Unterdrückung durch Marokko ein Ende findet und sie selbst über ihre Unabhängigkeit entscheiden können. Eine entsprechende Abstimmung in der UNO ist allerdings bislang immer von Marokko verhindert worden.

Auf welche Weise unterdrückt Marokko die Saharauis?

Die Saharauis dürfen nicht publizieren, sie dürfen ihre Musik nicht veröffentlichen, sie dürfen keine Zelte aufschlagen, sie können kein Konto eröffnen. Viele Krankenhäuser lehnen die Aufnahme von Saharauis ab, ihr Kulturgut wird zerstört, Neugeborene bekommen automatisch einen marokkanischen Pass. Die Situation ist vergleichbar mit Tibet, die Siedlungspolitik mit Israel.

Sie waren im Sommer in den besetzten Gebieten – was haben Sie dort erlebt?

Wir sind 4.000 Kilometer weit durchs Land gefahren, haben mit 500 Menschen gesprochen, und vor allem eines ist deutlich geworden: Die Menschen dort sind besessen von der Idee eines eigenen Staates. Ein Report dieser Reise ist an die UNO und an die europäischen Außenministerien gegangen.

Was ist mit Mustapha Abdeddaim geschehen?

Er war Vorsitzender einer Menschenrechtsorganisation und hat sich für die Freiheit seines Volkes eingesetzt – dafür wurde er verhaftet. Sein drei Monate gültiges Schengen-Visum läuft Anfang Februar ab, und er weiß bereits, dass er danach wohl wieder ins Gefängnis kommt. Interview: SCHN

19 Uhr, Villa Ichon