DIE GROSSE KOALITION IST MIT DER FÖDERALISMUSREFORM GESCHEITERT
: Anschein einer Erfolgsgeschichte

Es gibt derzeit in der Bundesrepublik kein wichtigeres politisches Ziel als eine Reform des Föderalismus. Ohne eine grundlegende Neuverteilung der Aufgaben und der Finanzen von Bund und Ländern werden Entscheidungsprozesse weiterhin quälend zäh verlaufen, Verantwortlichkeiten schwer zuzuordnen sein, Partikularinteressen regieren und Gestaltungsspielräume beständig schrumpfen. Während die Politikverdrossenheit wächst.

Eine gelungene Föderalismusreform ist nicht ein Projekt neben vielen anderen, sondern die Voraussetzung dafür, dass andere Ziele überhaupt erreicht werden können. Sollte der Bundestag heute dem zustimmen, was jetzt als Reform bezeichnet wird, dann bedeutet dies jedoch das Ende aller Hoffnungen auf einen substanziellen Neubeginn in den nächsten Jahren. Denn die so genannte Föderalismusreform ist keine.

Kritik hat sich an zahlreichen Punkten entzündet. So berechtigt diese auch ist: schwerer wiegt, dass die wichtigsten Ziele einer Neuordnung – nämlich die Entflechtung der Zuständigkeiten und der Finanzen – nicht einmal in Angriff genommen worden sind. Theoretisch soll das in einem zweiten Schritt geschehen. Aber wer daran glaubt, kann auch die Erde für eine Scheibe halten. Realistisch ist ein anderes Szenario: Die große Koalition wird die Neuregelungen als Teil ihrer Erfolgsgeschichte verbuchen und den Teufel tun, diese aufgehübschte Bilanz durch reale Verhandlungen um reale Machtfragen einzutrüben.

Der Bundesrat wird also weiter blockieren und ein großer Teil der Bevölkerung weiterhin finden, dass „die Politiker“ nichts zuwege bringen. Die Debatte über die Funktion von Regionen in einem zusammenwachsenden Europa und in einer globalisierten Welt bleibt ungeführt. Und die große Koalition ist gescheitert. Wenn es aber nicht einmal einem Bündnis mit einer so stattlichen Mehrheit gelingt, eine solide Reform auf den Weg zu bringen, dann schafft das niemand. Was bleibt? Hoffnung wider alle Hoffnung. Darauf, dass das Parlament doch noch die Zustimmung zu dieser Mogelpackung versagt. BETTINA GAUS