: Eingeschränkte Begeisterung
FUTTER Aus Soja werden nicht nur vegane Würstchen hergestellt. Die meisten Pflanzen liefern vor allem einen entscheidenden Treibstoff für die globale Fleischindustrie – und sind zudem genverändert
BERLIN taz | Sie wollen ihren Lebensmittelkonsum nachhaltiger gestalten, möchten ein Zeichen setzen gegen die Produktion von zu viel Fleisch. Veganer, Vegetarier oder Menschen, die bewusst auf Schnitzel und Wurst verzichten, haben oft die schädlichen Folgen konventioneller Ernährung im Sinn. Aber ist das Sojawürstchen, das das Steak auf dem Grill ersetzt, wirklich öko?
Die Begeisterung für Soja hat zwei Seiten. Einerseits liefert die Sojapflanze Nahrungsmittel, die Fleisch ersetzen. So betrachtet, kann der zunehmende Konsum von Tofuburgern und anderen Sojaprodukten die potenziell schädlichen Auswirkungen der globalen Fleischproduktion reduzieren. Weniger Flächen in aller Welt werden für die Herstellung von Tierfutter gebraucht, mehr Land steht für den Anbau von Nahrung zur Verfügung.
Andererseits ist Soja ein entscheidender Treibstoff der Fleischproduktion. In Deutschland etwa werden große Mengen als eiweißhaltiges Kraftfutter in Hochleistungsställen eingesetzt, damit Millionen Schweine, Hühner und Rinder möglichst schnell wachsen. Auch in landwirtschaftlichen Betrieben, die Milchvieh halten oder Eier produzieren, wird Soja wichtiger.
Fast 80 Prozent des weltweit hergestellten Sojas gelangen als Futtermittel auf Bauernhöfe und in Agrarfabriken, sagt Birgit Wilhelm, Expertin der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF). Wichtige Herkunftsländer sind die USA, Brasilien und Argentinien. „Soja wird zum großen Teil in agrarindustriellen Monokulturen angebaut, mit massiven negativen Umweltfolgen und vielerlei sozialen Problemen“, so Wilhelm. Pestizide und Dünger gerieten in Gewässer, Wälder gingen verloren.
Diesen Punkt sieht auch der Deutsche Bauernverband (DBV), die Vertretung der Landwirte. „Die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien betrachten wir mit Sorge. Alternativen zu entwickeln, ist dringend nötig“, sagt Roger Fechler, DBV-Referatsleiter. Warnungen vor zu viel Soja im Stall relativiert er aber: „Nur knapp acht Prozent des in Deutschland verwendeten Futters kommen aus dem Ausland.“
Abhilfe könnten künftig vielleicht solche Vorhaben schaffen: Einige Länder an der Donau wollen die Anbaufläche für Soja in ihrer Region vergrößern. Sie nennen es „Donau-Soja-Projekt“. Dazu gehören etwa die Schweiz, Österreich, Ungarn. Die Initiative ging von Bayern aus. Früher setzten Bauern auch auf Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen. Das sind Eiweißlieferanten, die auf dem Acker Stickstoff aus der Luft aufnehmen. Das spart Dünger. Es verbessert auch die Klimabilanz. Der Anbau ist allerdings teurer, er muss gefördert und weiter erforscht werden.
Was viele Verbraucher nicht wissen: „Wir gehen davon aus, dass rund vier Fünftel der Sojafuttermittel, die deutsche Landwirte einsetzen, genverändert sind“, so Fechler. Der Bauernverband betrachtet das nicht als Problem, denn die entsprechenden Sorten haben eine EU-Zulassung. Der WWF kritisiert den Gentechnikeinsatz. Ein Grund: Fleisch, Milch, Butter, Joghurt oder Eier, die mit Gentech-Sojafutter produziert wurden, müssen keine Kennzeichnung tragen.
Bei Sojaprodukten, die als Nahrungsmittel für Menschen verkauft werden, ist das anders. Sie unterliegen der Kennzeichnungspflicht. Weil die Hersteller um die kritische Haltung der deutschen Konsumenten wissen, findet man deshalb genveränderte Lebensmittel kaum in deutschen Geschäften. Aus einem weiteren Grund müssen sich Käufer von Sojawürstchen und Tofuburgern wenig Sorgen machen: Die Produktionsketten von Soja für Futter- und Nahrungsmittel sind meist getrennt, die geografische Herkunft ist oft unterschiedlich.
Noch unproblematischer sind ausgewiesene Bioprodukte. Diese dürfen in der Regel keine genveränderten Bestandteile enthalten. Die Verwendung von manipuliertem Sojafutter für Biofleisch ist ausgeschlossen. Wer dabei hundertprozentig sicher sein will, sollte genau lesen, was die einzelnen Biosiegel und Marken erlauben, und was nicht. Eine Garantie bietet diesbezüglich das EU-Siegel „Ohne Gentechnik“. HANNES KOCH