: 90 Minuten … mit WM-Ball-Entwicklerin Barbara Heinrich
Torwarten rügen das Flattern des Balles. Heinrich: „Wir haben da nichts Spezifisches eingebaut“
Barbara Heinrich ist bei Adidas die verantwortliche Projektentwicklerin des WM-Balles „Teamgeist“. Die gebürtige Schwarzwälderin hat beim Spiel der DFB-Elf gegen Schweden erstmals live gesehen, wie ihr Produkt mit Füßen getreten wurde, und ist längst richtig stolz: „Im Scherzle sage ich schon mal: Das ist unser Baby.“
Nicht so begeistert sind die Torhüter bei dieser WM. Einige Male hat der „Teamgeist“ schon auf verblüffende Weise den Weg ins Tor gefunden. Die Keeper sagen, das Ding fliege so unnatürlich und unberechenbar. Jens Lehmann empfiehlt, anders als bei früheren Bällen, möglichst spät zu springen, mehr per Beinarbeit sich der vermuteten Schusskurve in den Weg zu stellen und erst im letzten Moment zuzupacken. Und: Lieber einmal mehr fausten als einmal zu oft zu fangen versuchen.
Von den Torwarten gerügt wird des Balles Flattern. Das klingt wie unkalkulierbares Hin- und Herbewegen. Dabei scheint das Gegenteil richtig: Auffällig ist (bei Zeitlupenaufnahmen), dass dem Teamgeist oft die übliche Rotation fehlt, er sich zudem später der Erdanziehung hinzugeben scheint. Heinrich wehrt die Kritik ab: „Wir haben da nichts Spezifisches eingebaut. Die Rotation hängt von der Schusstechnik ab, nicht vom Design und Material. Ich nehme an, das muss eine optische Täuschung sein.“
Barbara Heinrich, 36, Textil-Ingenieurin, war für Materialsichtung, Kunststoffe und Chemikalien zuständig, hat das Design des neuen „Panelshape“ abgesegnet, sie hat mehrfach in Thailand mit dem Hersteller die genauen Produktionsabläufe koordiniert, vieles ausverhandelt, Zeitabläufe optimiert. Drei Jahre, so die Schwester des Jan-Ullrich-Arztes Lothar Heinrich, habe es gedauert von den Vorideen bis zur Produktreife der Pille für den WM-Mann.
Aber jetzt wird gemeckert. Schon bei den ersten Ligaeinsätzen im Winter wurde Teamgeists Flugtreue angezweifelt. „Der neue Adidas-Ball ist Scheiße“, befand ergreifend HSV-Torwart Sascha Kirschstein nach einem Fehlgriff. Das ging Heinrich damals schon gegen die Berufsehre: „Vielleicht hat der Herr Torwart ja einen kleinen Sehfehler?!“ Vielleicht, dachte man, hatte die Schelte auch mit dem HSV-Ausstatter zu tun. Der heißt Puma.
Heinrich verweist auf die vielen Tests des Hauses. Amateurspieler der Umgebung hätten sich an die ersten Prototypen gemacht, später auch Profis. Alle hätten den Ball gelobt. Auch Torhüter hätten getestet. „Da wurde nichts angemerkt.“
Danach ging es an die hauseigenen Schussmaschinen „mit einem Hightech-Roboterbein“, das den Ball immer exakt tritt. Die Ergebnisse seien bestens gewesen: „Bei gleicher Behandlung gab es immer das gleiche Ergebnis, alle Abweichungen waren minimal, eine extrem hohe Flug- und Trefftreue.“ Die Testergebnisse zeigen den Ball zudem präziser und beständiger als alle Vorgänger, abriebsicherer, wasserresistenter, von „dauerhafter Rundheit“, mit „harmonisierter Energieverdrängung“ und „perfekt einheitlichem Rückprallvermögen“. Was auch mit der technisch herausragenden Neuerung zu tun hat, so Heinrich: „Beim Teamgeist sind die Nähte geschweißt, nicht mehr geklebt.“
Kein Wunder, dass Adidas die Heinrich-Kugel als „revolutionäre Neuentwicklung“ bewirbt. Eines aber hat man in den Revolutionswirren nicht bedacht: An hauseigene Haltemaschinen, die zu entwickeln indes eine ganz besondere Aufgabe wäre.
Der Teamgeist erlaubt offenbar eine besonders spinfreie Schusstechnik, damit aber ist er nicht unbedingt auch „für Torhüter deutlich berechenbarer“, wie Adidas meint. Wenn die Kugeln immer besonders flattertreu sind, aber auf ungewohnte Art, nutzt das den Linienpantern und Gesinnungs-Pumas wenig. Vielleicht ist es eine Gewohnheitsfrage, die Jahre dauert. Oder Torhüter haben, wie die Legende sagt, tatsächlich eine Macke, die sie gern kultivieren, wenn sie vorbeigreifen. BERND MÜLLENDER