Eine große Liebe für Soundtracks und den Sonnenschein: Unterschiedliches Ironieverständnis bei Marti und Martin Jondo

Das Gesicht kennt man. Irgendwie, irgendwoher. Das Gesicht von Andrea Bruschi ist eines dieser Gesichter, die sich einprägen: kantig und trotzdem weich, nicht schön, aber interessant, verlebt und auch lebendig. Mit diesem Gesicht hat Bruschi eine halbwegs erfolgreiche Karriere als Schauspieler hingelegt, in der er eher Nebenrollen gespielt hat, aber dafür in Filmen von Peter Greenaway oder Michael Apted, aber auch in der Fernsehserie „Rome“. Wahrscheinlich deshalb denkt man, wenn man Andrea Bruschi zu Gesicht bekommt: Dieses Gesicht hab ich doch schon mal gesehen. Nur wo?

Die erste Liebe des 42-jährigen Italieners ist allerdings die Musik. In den achtziger Jahren spielte er in einer Rockband namens Bronco Billy, die keine großen Spuren hinterließ. Das will Bruschi, der vor drei Jahren aus Genua nach Berlin zog, mit Marti nun ändern. „Better Mistakes – An 11 Song Cinematic Affair“ ist das zweite Album der Band, aber erfüllt den Anspruch des Untertitels nicht ganz: Zwar ist durchaus zu hören, in den weiten Bögen, die diese Songs zwischen Chanson und Rock schlagen, dass Bruschi ein großer Liebhaber von Soundtracks ist. Auch, dass er Großmeister der romantischen Verzweiflung verehrt wie die Tindersticks oder Richard Hawley. Aber leider lebt er seinen Hang zum Epischen nur allzu vorsichtig aus. Fast scheint es, als glaube er, sich stets rückversichern zu müssen, als hätte er Angst vor den eigenen Emotionen, vor dem Absturz in den Kitsch. Einen Song lang wagt er sich dann auf dünnes Eis, singt vom „Schmerz tief drinnen“, aber dann eben auch wieder von der Rückkehr des Geschirrspülers. Die Idee allerdings, auf einem Album einen Film ohne Bilder zu erzählen, ist nicht nur ziemlich naheliegend für einen singenden Schauspieler, sondern funktioniert mit dem Sicherheitsventil Ironie, so sparsam sie auch eingesetzt wird, eben nur bedingt.

Martin Jondo dagegen ist Ironie immer noch weitgehend fremd. Das muss wohl auch so sein, wenn man mal Merchandising-Verkäufer bei Gentleman war. Doch musikalisch entfernt sich der Berliner koreanischer Abstammung mit „Sky Rider“ so weit von diesen Wurzeln wie nie zuvor. Vom Roots Reggae, mit dem Jondo bekannt wurde, ist auf seinem dritten Album kaum noch etwas zu finden: Stattdessen vorwärtstreibender Akustik-Pop („Fast Forward“), sommerlicher Karibik-Pop („Mr. Sunshine“) oder, Überraschung, sogar radiotauglicher Soul-Pop („Dead Or Alive“). Zusammengehalten wird dieses Spektrum von eingängigen Melodien und dem unüberhörbaren Verlangen, massentauglich zu sein.

Wenn dann doch mal der Offbeat zum Einsatz kommt, weiß Jondo natürlich genau, wie man diese hübsche bekiffte Schunkeligkeit erzeugt. Dass durch seine Texte weiterhin die bekannten Klischees turnen, die „Rivers of Babylon“ fließen und der Sonnenschein auf den Weg scheint , darüber lässt sich leicht hinwegsehen, weil man pünktlich zur ersten Hitzewelle genau so eine Platte braucht. Und wenn nur, um all die absichernde Ironie wegzuschwitzen. THOMAS WINKLER

■ Marti: „Better Mistakes“ (F.O.D./ Soulfood)

■ Martin Jondo: „Sky Rider“ (Four Music/Sony), Record Release Party am 16. 7. Badeschiff/Arena