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Archiv-Artikel

Gemeinsam dagegen

In „Durch die Nacht mit …“ (0.35 Uhr, Arte) treffen mit der Videokünstlerin Shirin Neshat und dem Sänger Henry Rollins zwei Rebellen-Typen unterschiedlichsten Zuschnitts aufeinander

Wahrscheinlich war es seine Wut. Wie er auf der Bühne als tätowierter Krieger ins Mikrofon brüllt. Oder wie er auf „Spoken-Word“-Performance-Tour die Bush-Politik heiser weggeißelt. Diese offensive Ehrlichkeit von Henry Rollins hat der aus Iran stammenden Künstlerin Shirin Neshat gefallen. Auch weil sie ein Faible für Fremdheit hat: Hier der in Los Angeles auf der Fitnessbank gestählte Ganzkörpersänger, dort die Videokünstlerin, in deren Filmen und Fotos verschleierte Frauen gegen die Unterdrückung innerhalb einer männlich dominierten Gesellschaft aufbegehren.

Neshat hat Rollins für die Arte-Reihe „Durch die Nacht …“ nach New York eingeladen. Gemeinsam stromern sie durch verwilderte Gärten im East Village und bekommen außerhalb der Besuchszeiten das Whitney Museum geöffnet. Celebrity zahlt sich aus, so können Rollins und Neshat ungestört über schlechte Kunst lästern. Dann wird er schnell wieder ernst und beklagt den Verlust von Inhalten in der amerikanischen Kultur: „Pop ist clever, aber er blutet nicht.“ Dabei sehen die Bilder vom gemeinsamen Trip selbst sehr dekorativ aus, mit champagnerfarbenen Lichtspielen in den Straßenschluchten von Manhattan und dem hippen Stampf der Indie-Band TV On The Radio im Hintergrund.

Ansonsten steht Neshat dem aufrechten Rollins in nichts nach, wenn es um Konfliktstoff geht. Sie ist in den Achtzigerjahren aus Protest gegen das iranische Regime der Geistlichen nach New York ausgewandert. Jetzt wird der Exilantin die Wiedereinreise verweigert, während man sie im Westen wegen ihrer monumentalen Video-Installationen als eine Propagandistin von religiösem Pathos kritisiert. Gleichzeitig weiß sie selbst nicht genau, ob ihre Ablehnung des Iran nicht auch bloß den Überlegenheitsfantasien der USA zuspielt und „einen neuen Orientalismus“ vorantreibt, wie Neshat beim Dinner erzählt.

Und Rollins? Ist ein wenig verwirrt von der Komplexität seines Gegenübers, wird aber zusehends dann doch zutraulicher. Beim Gute-Nacht-Schluck erzählt er ihr sogar von einer verflossenen Liebe, die für ihn den schönsten Moment in seinem Leben bedeutet hat. Danach trennen sich die Wege, ohne dass man nun New York, Rollins oder Neshat besser kennen würde. Aber immerhin, die Atmosphäre hat gestimmt zwischen der gläubigen Muslimin und dem mürrischen Hardcore-Rebellen aus god’s own country. Es ist ja auch eher eine Annäherung aus Ablehnung: gegen Bush und gegen Ahmadinedschad. Harald Fricke