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Archiv-Artikel

SVENJA BERGT ZUR KENNZEICHNUNG VON LEBENSMITTELN UND RITTER SPORT Täuschung ist Alltag

Die Gesetzeslage ermöglicht es der Lebensmittelindustrie, ganz legal zu tricksen

Draußen: eine Vanilleschote. Appetitlich angerichtet samt weiß-gelber Blüte, auf der Verpackung eines Gebäcks. Drin: keine Vanille aus der Schote, sondern ein künstlicher Aromastoff. Willkommen im Alltag der Verbrauchertäuschung.

Die Frage, ob Vanillegeschmack künstlich oder natürlich erzeugt wurde – auch Gegenstand des Streits zwischen Ritter Sport und der Stiftung Warentest –, ist kein Einzelfall. Und juristisch gesehen sind viele Fälle, in denen sich Verbraucher getäuscht fühlen, legal. Denn egal, ob die Gelatine im Fruchtsaft nicht auf dem Etikett vermerkt ist, frisch gebackene Brötchen aus angelieferten Teiglingen stammen oder das Fleisch vom Schwarzwälder Schinken gar nicht aus dem Schwarzwald kommt – der Hersteller hält sich an die rechtlichen Vorschriften. Und genau da liegt das Problem: Die Gesetzeslage ermöglicht es der Lebensmittelindustrie, zu tricksen. Und damit den Verbraucher erst zum Kauf von Produkten zu bewegen, die ohne eine Natur suggerierende Verpackung, ohne künstliche Farb- und Aromastoffe unattraktiv und geschmacksarm wären.

Das ist besonders ärgerlich, weil Verbraucherpolitiker in den letzten Jahren stets einem Ideal des aufgeklärten, mündigen Verbrauchers hinterherlaufen. Tenor: Das müssen wir nicht regeln, hier kann doch der Kunde mit dem Geldbeutel abstimmen. Wer Transfettsäuren in Fertiggerichten, Bisphenol A in Konservendosen oder Enzyme als Hilfsstoffe im Brot nicht will – der soll einfach etwas anderes kaufen.

Ja, aber was, wenn das Wissen um solche Stoffe dem Kunden erst eine mehrstündige Recherche und diverse Anrufe bei Herstellern abverlangt? Die bei diesen Fragen auch nicht sofort begeistert Auskunft geben. Natürlich nicht, sonst könnten sie es ja auch gleich auf die Verpackung schreiben.

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