„Der antideutsche Reflex ist wahnsinnig affig“

Die Hamburg-Berliner All-Star-Band Das Bierbeben hat eine neue Platte gemacht. Bassist Jan Müller über Punk, Parolen und Vereinnahmung

taz: Anfangs war Das Bierbeben ein Projekt anonym bleibender Musiker. Das habt ihr inzwischen aufgegeben: Jetzt weiß man, wer dahinter steckt. Wurde euch die Maskerade schlichtweg langweilig?

Jan Müller: Das mit der Anonymität entstand aus der Überlegung, dass Nebenprojekte per se oft eitel wirken. Das wollten wir vermeiden. Das hat natürlich aber überhaupt nicht funktioniert, weil sowieso alles herumgetratscht wird. Spätestens, wenn man dann live auftritt, ist ja auch klar, welche Köpfe dahinter stecken.

Bierbeben-Texte sind oft parolenhaft: Songs haben Titel wie „Deutschlands Mauern fallen“ oder „Mach deinen Fernseher kaputt“. Punktechno mit Message, will irgendjemand heute noch so etwas haben?

Gegen eine gute Parole ist doch erst einmal nichts einzuwenden. Bei unserem ersten Album hatten wir die Idee, in einem Bereich, also Techno, wo die Musik zum größten Teil instrumental ist und Texte meist nichts weiter bedeuten, mal ganz bewusst mit klaren Aussagen aufzutreten. Bei dem neuen Album haben wir diesen Anspruch aber schon wieder weitgehend aufgegeben. Ob irgendjemand mit Parolen oder einem gewissen politischen Ansatz noch etwas anfangen kann, ist mir allerdings sowieso ziemlich egal, weil schon viel zu viel Musik zu stark auf den Endkonsumenten hin zugeschnitten wird. Das nervt mich wahnsinnig – und schadet auch der Musik an sich.

Begonnen habt ihr 2002 als Coverband alter Punksongs. Weil früher alles besser war?

Bestimmt nicht – nichts liegt uns ferner als Nostalgie. Mein Bierbeben-Kollege Rasmus Engler und mich verbindet halt die Liebe zu altem Deutschpunk. Als wir uns vor acht Jahren kennen lernten, wunderten wir uns selbst darüber, wie sehr wir uns damit auskannten, obwohl wir Deutschpunk selbst ja gar nicht miterlebt hatten. Wir wollten mit Bierbeben dann einfach diese alten Punkstücke neu interpretieren, auch wenn „Deutschpunkcoverband“ erst mal scheußlich klingt. Die Idee war, die Stücke mit Sängerinnen neu einzuspielen, um dem Ganzen eine leicht absurde Note zu geben.

Diesen Deutschpunk hörst du immer noch?

Ja, aber vor allem aus wissenschaftlichem Interesse. Es ist interessant zu hören, wie junge Bands damals klangen, wie im Deutschpunk ohne großen Willen etwas ganz Tolles entstanden ist.

Heute ist Das Bierbeben ja eigentlich eine Technoband. Kannst du denn auch privat etwas mit Techno anfangen?

Ich kaufe mir schon viele Maxis und es macht mir auch Spaß, Techno konzentriert zu Hause zu hören. Ist eine Musik, die gut nebenbei läuft. In Clubs zu gehen finde ich in letzter Zeit nicht mehr so interessant. Ich finde, es ist schwieriger geworden, irgendwo hinzugehen, wo man sagen kann: Jetzt bin ich auf der richtigen Party gelandet.

Das Logo von Das Bierbeben ist ein durchgestrichener Bundesadler. Was sagst du zum neuen Deutschland-Hype?

Mich nerven die Deutschlandfahnen, ich konnte mich aber auch freuen, wenn für Deutschland ein Tor fiel. Denn der antideutsche Reflex ist eben auch wahnsinnig affig und vor allem selbstgefällig. Wir haben von unserer Seite nie erklärt, warum der Bundesadler durchgestrichen ist. Jetzt haben wir ein Problem, weil alle, von den linksten Antideutschen bis hin zur SPD-Jugend, denken, wir seien auf ihrer Seite. Auch mit Tocotronic habe ich die Erfahrung gemacht, dass man als politisierende Band unheimlich schnell vereinnahmt werden kann.

Die marginalisierte Restlinke hat eben ein Bedürfnis nach ein paar Bands, von denen sie glauben kann, sie hielten noch zu ihr.

Was man macht, wird von außen einfach wahnsinnig überhöht. Dabei hat es einen Grund, dass man sich nicht direkt politisch engagiert, sondern in einer Rockband spielt. In einen Plattentitel wie „Alles fällt“ kann und soll man alles Mögliche hineininterpretieren. Denn es geht doch um Kunst, und Kunst bleibt für Auslegungen immer offen.

INTERVIEW: ANDREAS HARTMANN