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Archiv-Artikel

Satire kann tödlich sein

Der Krach um den taz-Artikel ist nicht der erste Satire-Streit im deutsch-polnischen Verhältnis

WARSCHAU taz ■ Nach dem weltweiten Karikaturenstreit nun ein deutsch-polnischer Satirestreit? Es sieht danach aus. Die – in der Tat geschmacklose – taz-Kolumne empörte das polnische Staatsoberhaupt. Und seine Kränkung brachten Außenministerin und Ministerpräsident zum Ausdruck, indem sie von ihren deutschen Kollegen Distanzierung von den Lästerern und Anteilnahme für den Brüskierten forderten.

Es ist nicht der erste deutsch-polnische Streit um die satirische Verzerrung des Nachbarn. In den 90er-Jahren war es Harald Schmidt, über dessen Polenwitze sich die polnischen Medien empörten. Just am Tag des Fußballspiels zwischen Polen und Deutschland revitalisierte die Bild-Zeitung sie wieder einmal – wohl um den neuen deutschen Patriotismus anzuheitern. Und 2003 schossen polnische Medien zurück, indem ein Nachrichtenmagazin auf seiner Titelseite die Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach rittlings auf dem Bundeskanzler darstellte.

Witz ist jedoch mehr als nur ein Witz. Schon vor 180 Jahren wusste Christian Grabbe, dass Satire und Ironie auch eine tiefere Bedeutung haben können. Sie können einen von eigenen Komplexen befreien, wenn man die Größe hat, über sich selbst, seine Schwächen und Blößen souverän zu lachen. Sie können aber auch tödlich sein, wenn sie jemanden am Boden zerstören und in der Öffentlichkeit abschussreif machen.

Ein ausgeprägtes Gespür für Groteske, Selbstironie und satirische Überhöhung ist die Stärke der polnischen Literatur. Der politische Witz ist auch eine wichtige Daseinsform des polnischen Diskurses. Erst vorgestern Abend, während die deutsche Fußballmannschaft klangvoll unterging, zeigte TVN die beliebte Majewski Show, in der der polnische Staatspräsident als tolpatschig veräppelt wurde.

Auf der anderen Seite wurmt es nicht wenige Polen, dass sie seit Jahrhunderten nicht für voll genommen, verunglimpft und mit der Waffe beißender Ironie niedergemacht werden. Es war Friedrich II., der die Polen als Irokesen Europas verhöhnte, um die Aufteilung des Landes vor Europas Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Und es waren polnische Kommunisten, die in den 60er-Jahren eine heftige Kampagne wegen der amerikanischen polish jokes gegen die USA starteten. Ein überhöhtes Bedürfnis nach offizieller Anerkennung ist keine Seltenheit in Gesellschaften, die in ihrem Selbstwertgefühl nicht ganz gefestigt sind. Den Deutschen spiegelt es Matthias Matussek gerade in seinem Bestseller vor, indem er seinen Groll gegen die englischen antideutschen Witze zu antibritischen Elogen steigert.

Im deutsch-polnischen Fall brauchen wir nach wie vor viel Umsicht im Umgang mit unseren gegenseitigen Komplexen. Beide Staaten sind neurotische Nachbarn, die einander therapieren müssen. Es waren deutsche Korrespondenten in Warschau, die Mitte der 90er-Jahre einen offenen Brief gegen die Polenwitze in deutschen Medien schrieben. Und es waren polnische Journalisten, die 2003 das Titelbild von Wprost kritisierten. Auch diesmal sollte das Gebot heißen, nicht maßlos alte Klischees zu reiten. Und schonen wir Personen, deren Amt die Würde des Nachbarlandes symbolisiert. ADAM KRZEMINSKI