: Rommel, Sittich der Glatzen
FERNSEHEN Der Film „Leroy“ (ZDF, 23.15 Uhr) behandelt das Thema Rassismus mit grotesken Überzeichnungen statt Moralkeule. Damit startet die Reihe „Gefühlsecht“ im Zweiten
VON DAVID DENK
Undankbar, wie der Mensch nun mal ist, vergisst er vor lauter Schwitzen und Stöhnen darüber schon mal, was für eine wunderbare Jahreszeit der Sommer doch ist. Armin Völckers’ Spielfilmdebüt „Leroy“ kommt also gerade zur rechten Zeit. Mitten im heißesten Sommer seit Menschengedenken (zumindest gefühlt) eröffnet die satirische Liebeskomödie die ZDF-Kleines-Fernsehspiel-Reihe „Gefühlsecht“. Fünf weitere Filme von neuen, aber nicht unbedingt auch immer jungen Regietalenten folgen bis zum 2. August – montags und mittwochs, jeweils am späten Abend, darunter das Fluglotsen-Schuld-Drama „10 Sekunden“ von Nicolai Rohde (21. Juli) und „So glücklich war ich noch nie“, eine Hochstaplerliebesgeschichte von Alexander Adolph (2. August, siehe taz vom 7. Mai).
Im Falle von „Leroy“ ist diese Programmierung einigermaßen widersinnig, wenn auch dank Sommerferien in großen Teilen des Landes nicht völlig daneben, denn „Leroy“ ist ein Film für Kinder und Jugendliche, der in dieser Kategorie 2008 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde und wegen seines pädagogischen Wertes auch an Schulen gezeigt wird. Da scheint sich einiges getan zu haben, denn „Leroy“ ist keiner dieser penetranten Gutmenschenfilme, die dem Autor dieser Zeilen in früheren Zeiten als „Auflockerung“ des Unterrichts zugemutet wurden.
Sowohl inhaltlich als auch ästhetisch hebt sich die auf einem 18-Minuten-Kurzfilm Völckers’ basierende Komödie von mit dem didaktischen Vorschlaghammer entworfenen Stoffen ab. Zunächst mal ist „Leroy“ nämlich einfach eine Hommage an den Sommer in der Großstadt, dieses Flirren und Schweben, kurze Röcke statt langer Gesichter – und eine Hymne auf die erste große Liebe.
„Sie hat mich angeguckt“, sagt der Titelheld eines Tages im Schulflur zu seinem besten Kumpel Dimi (Constantin von Jascheroff), der großen Wert darauf legt, dass er Halbgrieche ist. Spätestens als Eva (Anna Hausburg) dann auch noch ihr blondes Haar für Leroy schüttelt, ist es um ihn geschehen. Er will sie, sie will ihn ganz offensichtlich auch, eigentlich könnte also damit der Sommer ihres Lebens beginnen – wenn da nur Evas Familie nicht wäre.
Bei den Braunes – der Name sagt schon alles – macht er zum ersten Mal die Erfahrung, aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert zu werden. Wie in diesem Text spielte sie im grünen Bildungsbürgermilieu von Berlin-Schöneberg, wo er wohnt, Cello spielt und Goethe liest, vorher keine Rolle. Plötzlich ist er „Neger“ und beginnt sich mit einer Kultur auseinandersetzen, die bislang nicht seine war. Genau wie schwarze Bürgerrechtsbewegung und afroamerikanische Popkultur in Leroys Leben eindringen, machen sich Soul und Funk sowie eine vom Blaxploitation-Kino inspirierte Bildsprache fortan auch in Völckers’ Film breit.
Dieser Konflikt ist zugegeben nicht sonderlich weit entfernt vom landläufigen Themenspektrum des gut gemeintem Schulfernsehen, doch Völckers’ Spaß an der grotesken Überzeichnung verhindert Schlimmes und sorgt dafür, dass auch ein jüngeres Publikum sich von der Moral der Geschichte nicht erschlagen fühlen dürfte: Der Kampfhund der Braunes macht den Hitlergruß, die Wellensittiche heißen „Kaltenbrunner“ und „Rommel“, und als Leroy beschließt, sich gegen die fiesen Brüder seiner Eva zur Wehr zu setzen, kauft er sich selbst einen Shaft-Gedächtnis-Ledermantel und setzt seinen Mitstreitern Malcolm-X-Brillen auf.
Gewalt ist eine Lösung
Und dann gibt’s eine große Keilerei. Gegen die Glatzen. Für die Liebe. Und ein bisschen auch für Leroys neue Helden. Natürlich ist Gewalt keine Lösung, das weiß doch jedes Kind, aber gegen einen ordentlichen Showdown ist ja wohl nun wirklich nichts einzuwenden. Das haben zum Glück mittlerweile auch Deutschlands Lehrer verstanden.