LESERINNENBRIEFE :
Dem Sterben zustimmen
■ betr.: „Wie dürfen wir sterben?“, taz vom 7. 1. 14
In fast 40 Jahren ärztlicher Tätigkeit habe ich Hunderte Menschen sterben sehen. Ich habe viele sterbende Menschen begleitet, deren Sterben und Tod in mir ein ähnlich heiliges Gefühl hervorgerufen hat wie das Wunder einer (technisch nicht verfremdeten) Geburt, von denen ich viele in Papua-Neuguinea begleiten durfte. Ich habe auch das Sterben von Menschen über Wochen mit durchlitten, die trotz optimaler und maximaler medizinischer Begleitung buchstäblich eingingen. So beschäftigt mich seit fast vier Jahrzehnten die Frage, wie Sterben so gelingen kann, dass der Sterbende im Frieden geht und sich den Zurückbleibenden das Tor zum Leben öffnet. Meinen ersten Ansatz, dass religiöse Menschen besser sterben, hat die Wirklichkeit widerlegt. Immer wieder stieß ich darauf, dass einzelne Menschen mit einem Leben, das vordergründig jeder Selbstbestimmung spottete, einen geburtsähnlichen Tod hatten, nicht rosarot, nein, als ein basales, elementares Geschehen, das für alle Beteiligten wundersamen Frieden hinterließ. Menschen, die gelernt haben, Brüche, Schmerzen, Leid in ihrem Leben letztlich zu bejahen, deren Selbstbestimmung darin besteht, ihre Situation anzunehmen und darin ihren Weg zu sehen – solche Menschen habe ich gelöst sterben sehen.
Ich habe zuerst in Neuguinea, später auch hier erlebt, dass Menschen mit maximaler Schmerztherapie plötzlich ganz oder weitgehend schmerzfrei waren, wenn sie loslassen konnten, ihrem Lebensweg – in ihrem Fall ihrem Sterben – zustimmen konnten. Dann ging das Bedürfnis nach Essen und Trinken zurück, das Befinden wurde besser.
Eine Medizin, die als aktive Sterbebehinderung das Sterben als ganz eigenen Lebensabschnitt nicht zulassen will, trägt zu unserer schon fast generalisierten Angst vor Sterben und Tod bei und liegt wie ein Schatten über dem Leben vieler Menschen.
MARTIN KAISER, Baiersbronn
Ja, ich halte meine Anteile
■ betr.: „Prokon. Die Kassen sind leer“, taz vom 13. 1. 14
Ja, die Kapitalismuskritik von Prokon hat mich dazu gebracht, dort Geld zu investieren. Ja, ich habe gedacht, es könnte funktionieren: viele kleine Investoren, keine Banken, keine Großanleger … Ja, ich fand es in Ordnung, dass Prokon andere insolvente Unternehmen übernommen hat … Ja, ich fand auch Werbung für eine gute Idee nicht anstößig. Ja, ich versuche mich zu informieren und habe es immer wieder getan, scheinbar nicht gut genug. Ja, 8 Prozent sind eine gute Rendite. Ja, ich investierte auch in Solarworld, weil ich Sonnenenergie klasse finde. Ja, ich habe auch Geld in Kakaobäumen in Panama angelegt, weil ich hoffe, da ein gutes Infrastrukturprojekt zu unterstützen. Ja, ich habe auch Geld in die Genossenschaft der taz eingezahlt. Ja, ich habe gelesen, bei Kündigung meiner Anteile bekomme ich nur noch 70 Prozent der Summe zurück. Ja, ich halte meine Anteile. Ja, ich bin vielleicht doch nicht so gut informiert, wie ich dachte, naiver Gutmensch?
Ja! Ich erwarte von euch einen anderen Schreibstil als in der Welt. Ja, ich erwarte von euch mehr als Häme und Unterstellung: „Die Kassen sind leer“ – „Kapitalismuskritik als Sedativum“ – „Auf den Genuss folgt nun die Reue.“ Ja, ihr wisst natürlich alles besser, habt gewusst … Ja! Dann meine dringende, ernst gemeinte Bitte: Bitte keine Wochenend-tazzen mehr, die thematisch wirken wie „ein Kessel Buntes“, sondern bitte eine zum Thema „Wo und wie lege ich Geld (für meine Alterssicherung) an“. Selbstverständlich übernehmt ihr für die von euch gegebenen gut recherchierten fachlichen strategischen Ratschläge die Garantie! Andere Beratungen hatte ich schon genügend! Ja, dann bin ich endlich so klug wie einige in eurer Redaktion!
BRIGITTE SENTKER, Bielefeld
Lesben ohne Unterstützung
■ betr.: „Leute, guckt mehr Lesbenpornos!“, taz vom 9. 1. 14
Ich finde den Artikel im Großen und Ganzen ja recht gut. Aber warum sollen Heteros Lesbenpornos anschauen? Das rückt uns (lesbische Frauen) ja erst recht weiter in die hinterste Nische der Objekte für geile Heteromänner.
Es stimmt allerdings, dass wir lesbische Frauen in der Öffentlichkeit selten wahrgenommen werden. In Berichten für Homosexuelle und Homosexualität geht es in der Regel nur um Schwule und Bilder von Männerpaaren (momentan läuft im Fernsehen eine Werbung, in der die Vielfalt von Paaren aufgezeigt werden soll. Dabei ist ein Männerpaar, aber kein Frauenpaar). In Interviews werden Männer befragt, die es dann nach ihrem Outing auch wesentlich einfacher haben. Sie werden akzeptiert und auch von heterosexuellen Frauen gern hofiert. Lesbische Frauen erfahren auch von heterosexuellen Frauen meist keine Unterstützung. Dabei parodieren schwule Männer ein Frauenbild, das doch wirklich keine echte Frau verkörpern möchte. Und wenn eine echte Frau in diesen Klamotten herumlaufen und sich so benehmen würde, wären ihr Hohn und Spott mehr als sicher.
Ja, es gibt uns lesbische Frauen, und wir sind auch nicht hässlich! Ich war vor ein paar Jahren aus beruflichen Gründen auf einem Fotoshooting. In einer Pause unterhielt sich ein Model mit zwei anderen Frauen über Lesben. Anlass war ein Frauenfußballspiel, das im Raum live im Fernsehen übertragen wurde. Sie sagte völlig überzeugt, dass sie eine Lesbe immer und sofort erkennt! Denn Lesben sehen einfach anders aus. Sind hässlich und machen nichts aus sich! Tja, Lady, dumm gelaufen, denn sie stand direkt neben einer Lesbe, mit der sie noch vor wenigen Minuten hautnah zusammenarbeitete …
Zum Schluss noch: Wir Homosexuelle, also auch die Frauen, müssen uns ständig das Heterogedöns in aller Öffentlichkeit anschauen. Und leben auch nicht in permanenter Aufregerei deswegen.
PETRA GEIER, Remseck