Spannung in Zürich

NACHLASS Safeöffnung: Wie viel Franz Kafka liegt in der Schweiz?

Dieser Safe beschäftigt die Fantasie der Kafka-Gemeinde schon geraume Zeit

Heute wird in einer Schweizer Bank wohl ein Safe geöffnet werden, der einen literaturhistorisch hochinteressanten Inhalt birgt: große Teile des Nachlasses des Autors Max Brod und auch noch manches aus dem Nachlass von Franz Kafka. Eine hieb- und stichfeste Bestätigung für den Termin der Safeöffnung war zwar nicht zu bekommen, aber man hat halt davon gehört. Und beim Herumtelefonieren stellte sich heraus, dass zum Beispiel Ulrich Raulff, der Leiter des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, und Hans-Gerd Koch, Herausgeber der Taschenbuch-Edition von Kafkas Werken in der Fassung der Handschrift, auch davon gehört hatten. Also, denkt man, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es stimmt.

Dieser Safe, unter anderem, beschäftigt die Fantasie der Kafka-Gemeinde schon geraume Zeit. Hinter den Kulissen findet um den Kafka-Nachlass sowieso gerade ein großes Tauziehen statt. Max Brod, der ihn vor den Nazis (und Kafkas eigenem Willen, ihn zu verbrennen) gerettet hatte, hatte große Teile davon seiner Sekretärin Ilse Esther Hoffe in Tel Aviv teils noch zu Lebzeiten geschenkt, teils nach seinem Tod vererbt. Nach deren Tod ging er vor drei Jahren an ihre beiden Töchter – und als die sich gerade mit Marbach auf einen Verkauf geeinigt hatten, gab es israelische Stellen, die einen Ausverkauf des nationalen Kulturerbes beklagten; zu Unrecht, sagen die meisten Experten, aber seitdem tagen eben auch die Gerichte.

Die Frage ist: Liegen im Schweizer Safe womöglich bislang unbekannte Kafka-Handschriften? Nein, sagt Hans-Gerd Koch, „man weiß, was da drin ist, es gibt nichts Unbekanntes von Kafka dort“. Das könne man akribischen Bestandslisten des Nachlasses entnehmen. Man habe zwar immer ein Geheimnis um angeblich bislang zurückgehaltene Kafka-Handschriften gemacht, aber das, so Koch, sei alles sehr unwahrscheinlich.

Der wirkliche spannende Teil des Safe-Inhalts, vermuten alle Experten, liegt eher in seinem Max-Brod-Anteil: Notizbücher und Korrespondenzen eines der weltweit umtriebigsten und bedeutendsten Literaturmanagers des 20. Jahrhunderts. Vielleicht landet das ja wirklich bald alles glücklich in Marbach. drk