: Bootsflüchtlinge als Wahlkampfschlager
AUSTRALIEN Premierministerin setzt Neuwahlen an. Die Wahlthemen könnten unappetitlich werden
CANBERRA taz | Die neue australische Premierministerin Julia Gillard hat am Samstag in der australischen Hauptstadt Canberra bekannt gegeben, sie habe Generalgouverneurin Quentin Bryce um die Auflösung des Parlaments gebeten. Damit ist der Weg für Neuwahlen am 21. August frei. Das Repräsentantenhaus wird an diesem Tag ebenso neu besetzt wie die Hälfte des Senats, des australischen Oberhauses. Umfragen zufolge dürfte es die Labor-Partei knapp schaffen, an der Macht festzuhalten. Ihr steht die liberal-konservative Koalition unter Oppositionsführer Tony Abbott gegenüber.
Die 48jährige Gillard, eine in Großbritannien geborene Juristin, hatte Ende Juni überraschend das Amt vom damaligen Premierminister Kevin Rudd übernommen, der nicht einmal eine einzige Legislaturperiode im Amt war.
Die Frage des Vertrauens dürfte im Vordergrund des kommenden Wahlkampfes stehen. Oppositionsführer Tony Abbott hat bereits erklärt, das Volk könne Gillard nicht trauen. Im Gegenzug meint die Premierministerin, Abbott sei nicht glaubwürdig, wenn er sage, die vom ehemaligen konservativen Ministerpräsidenten John Howard eingeführten und von Labor wieder abgeschafften Arbeitsgesetze nicht wiederbeleben zu wollen. Die Opposition gegen die stark zugunsten der Arbeitgeber ausgerichteten Gesetze trug wesentlich dazu bei, dass Labor 2007 an die Macht kam.
Sowohl Gillard als auch Abbott sind erfahrene Politiker, die in den kommenden Wahldebatten dem Gegner keine Gnade gewähren werden. Einige Beobachter fürchten, die schon seit Wochen heftige Diskussion um die Behandlung von Bootsflüchtlingen aus Afghanistan, Irak und Iran könnte sich zu einem Schlagabtausch mit fremdenfeindlichen Untertönen entwickeln. Gillard hatte kurz nach Amtsantritt erklärt, sie wolle im benachbarten Osttimor ein „regionales Behandlungszentrum“ für die rund 6.000 Menschen einrichten, die pro Jahr „ohne Bewilligung“ nach Australien kämen. Abbott meinte, er würde im Fall eines Wahlsiegs die Boote „einfach aufs Meer zurückschicken“. Mehrere hundert Bootsflüchtlinge, unter ihnen viele Frauen und Kinder, sind bislang auf der gefährlichen Fahrt zwischen Indonesien und Australien ertrunken. URS WÄLTERLIN