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Archiv-Artikel

Wahl der Waffen

Diese Woche läuft die Frist im Atomstreit ab. Sollte der Iran nicht einlenken, so die USA, drohen ihm Sanktionen. Doch welche? Zum weiteren Dialog gibt es keine Alternative

Ein umfassender Wirtschaftsboykott wie gegen Milošević würde vor allem die Bevölkerung treffen

Die großen Sechs – Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland, China und die USA – haben sich jetzt zwar auf ein Angebot an den Iran verständigt. Dieses Angebot ist weit besser als das, welches die großen Drei der EU im August letzten Jahres dem Iran unterbreiten konnten. Aber auf irgendwelche Sanktionen für den Fall, dass der Iran trotzdem nicht auf dieses Angebot eingeht, konnten sie sich nicht einigen. Denn Russland und China wollen nach wie vor unbedingt vermeiden, dass der Irankonflikt eskaliert.

Diese Woche läuft die „informelle Frist“ der fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschlands zur Lösung des Atomstreits ab, doch vermutlich wird der Iran wieder nur mit einem klaren „Ja, aber …“ antworten: Ja zu Verhandlungen, Ja zu Kompromissen und internationalen Kontrollen. Aber Nein zur Vorbedingung, die Urananreicherung sofort oder auch längerfristig auszusetzen. Dann steht wieder die Frage im Raum: Soll man sich auf neue Gespräche einlassen, oder greift man zu Sanktionen? Fragt sich nur, was für Sanktionsmöglichkeiten es überhaupt gibt.

Umfassende Wirtschaftssanktionen sind die schärfste Sanktionswaffe. Diese wurden gegen den Irak von Saddam Hussein sowie gegen das Jugoslawien von Milošević verhängt. Diese totalen Embargos haben insbesondere die Zivilbevölkerung getroffen und im Falle des Irak nach Angaben der Unicef den Tod von über 500.000 Kindern verursacht, innenpolitisch aber eher zu Stärkung der jeweiligen Regime beigetragen.

Eine ähnliche Wirkung wäre auch bei einem Boykott des Iran zu erwarten. Mit umfassenden Sanktionen würde sich der Westen allerdings auch ins eigene Fleisch schneiden, weil der Preis von Rohöl dann wohl auf weit über 100 Dollar pro Barrel hochschnellen dürfte.

Ein Waffenembargo ist die Sanktionsform, die in der Geschichte der UNO am häufigsten angewandt wurde: meist gegen Länder wie Angola, Sierra Leone, Liberia, Ruanda, Äthiopien, Eritrea, Libyen oder gegen Konfliktparteien in Bürgerkriegen. Zum Teil haben diese Waffenembargos die gewünschte Wirkung erzielt – meist im Zusammenspiel mit anderen Mitteln wie Finanzsperren für afrikanische Warlords oder Handelsembargos für bestimmte Produkte wie Diamanten, die in manchen afrikanischen Bürgerkriegen als Finanzquelle dienten. Dadurch wurden in den Neunzigerjahren etwa die Unita-Rebellen in Angola so stark geschwächt, dass der Bürgerkrieg dort beendet werden konnte.

Der Iran spielt jedoch, als viertgrößte Ölexporteur der Welt, in einer ganz anderen Liga als die meisten Länder, gegen die bisher UN-Sanktionen verhängt wurden. Zudem lebt das Land seit über zwanzig Jahren mit den umfassenden Sanktionen, die die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt verhängt haben. So hat der Iran gelernt, viele Produkte selbst zu produzieren.

Schon im Frühjahr dieses Jahres kursierte ein EU-3-Papier, das „mögliche Maßnahmen für den Fall, dass der Iran nicht kooperiert“, auflistete. Dort war auch von „Maßnahmen gegen das iranische Nuklear- sowie Raketenprogramm“ sowie sonstigen „politischen und ökonomischen Maßnahmen“ die Rede. Doch die von EU-Beamten genannten Sanktionsmaßnahmen sind von völlig unterschiedlichem Gewicht. Viele haben den Vorteil, nicht oder nicht direkt die Lebensbedingungen der iranischen Bevölkerung zu verschlechtern. Andere Vorschläge dagegen sind einfach nur lächerlich oder nicht mehr als symbolische Politik. Denn weder Reiseverbote für Ahmadinedschad und Co. noch Studienverbote für iranische Studenten werden das Land dazu bringen, jegliche Urananreicherung aufzugeben. Diplomatische Sanktionen wie Reiseverbote oder gar das Einfrieren jeglicher bilateralen Kontakte wären jedoch nicht nur relativ wirkungslos, sondern sogar kontraproduktiv, weil damit jede Möglichkeit eines Dialogs verbaut würde.

Ein Waffenembargo sowie ein Embargo gegen die Nuklear- und Raketenindustrie würde den Iran mittelfristig zweifellos härter treffen. Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass solche Maßnahmen im UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet würden, denn betroffen davon wären Russland und China. Nun hat Russland nicht nur einen 800 Millionen Euro schweren Vertrag für den Bau eines AKWs in Bushir unterschrieben, und hofft auf weitere Nuklear-Aufträge aus dem Iran; es hat auch allein im vergangenen Jahr Militärgüter im Wert von 5 Milliarden Euro an den Iran geliefert. Ohne eindeutige Beweise für ein aktives iranisches Atomwaffenprogramm wird es ebenso wenig wie China solchen Sanktionen zustimmen. Eine solche smoking gun ist bisher aber nicht gefunden worden.

Wirtschaftssanktionen wie das Verbot von Investitionen in bestimmte Bereiche, ein generelles Einfrieren sämtlicher Werte iranischer Banken im Ausland oder die Reduzierung staatlicher Unterstützungen für Exportkredite würden die iranische Wirtschaft mittelfristig sicher hart treffen, benötigt das Land doch allein für seine Öl- und Gasindustrie in den nächsten zehn Jahren Investitionen in Höhe von 70 Milliarden Dollar, von denen die Hälfte aus dem Ausland kommen soll. Solche Embargos würden aber auch die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft treffen, die mit einem jährlichen Exportvolumen von über 3 Milliarden Euro zu den größten Handelspartnern des Iran in Europa zählt. Die Wirkungen solcher Sanktionen würden zudem durch den hohen Ölpreis gemildert: Ein Dollar mehr pro Barrel bringt dem Iran locker Mehreinnahmen von 75 Millionen Dollar pro Tag ein.

Doch selbst solche Sanktionen würde die iranische Führung vermutlich nicht zum Einlenken bewegen, werden doch Nuklearprogramm und Urananreicherung sowohl von der Elite des Landes als auch von einem Großteil der Bevölkerung als ein Symbol von wirtschaftlich-technologischem Fortschritt und von nationaler Selbstständigkeit betrachtet. Zu einer Fortsetzung des Dialogs gibt es deshalb keine echte Alternative.

Der Iran spielt in einer anderen Liga als jene Länder, gegen die bisher UN-Sanktionen verhängt wurden

Die USA haben bereits erklärt, den Druck auf den Iran weiter erhöhen zu wollen, wenn das Land nicht als Vorbedingung für weitere Verhandlungen seine Urananreicherung aussetzt. Sollte dies nicht geschehen, dürften die USA zumindest den Druck auf die Europäer erhöhen, damit diese unilaterale Sanktionen gegen den Iran verhängen. Condoleeza Rice hat schon offen von der „Koalition der Willigen“ gesprochen, die sie in diesem Fall für den Beschluss möglicher Sanktionen anstrebt.

Das Problem ist, dass jegliche Sanktionen nur den Hardlinern in die Hände spielen – sowohl in Teheran als auch in Washington. Sie vergiften das gute Klima, das für eine friedliche Lösung im Atomstreit nötig wäre. Deshalb wäre es sinnvoller, die Kompromisswilligkeit Teherans in Verhandlungen oder „Verhandlungen über Verhandlungen“ zu testen, und auf jegliche Vorbedingungen für einen solchen Dialog zu verzichten.

JERRY SOMMER