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Archiv-Artikel

„Meine Eiger-Nordwand“

Volker Mauersberger, langjähriger ARD-Korrespondent in Bonn, schreibt eine Biografie über Henning Scherf – und ist sich sicher, dass sie auch erscheint. Gestern stellte er Auszüge daraus vor

Interview vonBenno Schirrmeister

taz: Wieso haben Sie eine Scherf-Biografie in Angriff genommen? Gab es da einen konkreten Auftrag?

Volker Mauersberger: Es gab einen konkreten Anlass. Das zwar Scherfs denkwürdiger Auftritt im Bundesrat bei der Debatte um den großen Lauschangriff. Ich war ja lange ARD-Korrespondent in Bonn. Und ich hatte immer eine stille Sehnsucht nach authentischen Politikern. Wie Scherf sich da gegen die geforderten Repressalien eingesetzt und sich mit allen angelegt hat, – ob mit dem damaligen SPD-Chef Oskar Lafontaine oder der CDU, seinem Koalitionspartner in Bremen – das hat mir schon imponiert. Da habe ich mir gesagt: Volker, wenn du in den Ruhestand gehst, dann machst du etwas über diesen Menschen Henning Scherf.

Die Sehnsucht nach einem authentischen Politiker wird oft enttäuscht, wenn man sich die Sache genauer anschaut: Wie authentisch war Scherf?

Man muss den Begriff „authentisch“ sehr vorsichtig benutzen, gerade in der Politik – da ist doch sehr viel Medien-Inszenierung. Und der Hang zum Populismus war ihm ja auch nicht gerade fremd. Was ich meine ist: Dieses Unkonventionelle. Scherf war nie richtig einzuordnen, er war immer ein unabhängiger Kopf. Den Rechten war er zu links, den Linken zu rechts – er blieb immer er selbst. Er war Christ …

er hatte angefangen, Theologie zu studieren…

…das war sehr wichtig für ihn. Er hatte eine Art inneres Geländer. Natürlich muss man das immer in Relation sehen – aber er war authentischer als viele seiner Parteigenossen – wenn ich mir ansehe, was aus Leuten wie Scharping oder Schröder geworden ist.

Ihr Projekt ist bereits der zweite Anlauf für eine Scherf-Biografie: Das Scherf-Buch von Horst Monsees, dem Sprecher von Bürgerschaftspräsident Christian Weber, liegt fertig beim Verleger Temmen in der Schublade. Es durfte aber nicht veröffentlicht werden …

Ich kenne da die Hintergründe nicht. Temmen hat mir das mitgeteilt beim Vertragsabschluss. Aber ich habe in das Manuskript von Monsees keinen Blick geworfen: Ich besteige meine Eiger-Nordwand selbst. Es war auch mein persönlicher Wunsch – das soll gegengelesen werden. Und ich kann nur sagen, ich habe in beiden Scherfs sehr kritische Prüfer gefunden.

Angeblich waren Informationen über das Privatleben, etwa das problematische Verhältnis zum Bruder, ausschlaggebend für das Stopp…

Darüber weiß ich nichts…

Wird denn der Privatmann Scherf in ihrem Buch auch eine Rolle spielen?

Natürlich. Ich habe mehrere Kapitel dazu, und sehr viele interessante Dokumente, gerade aus der Jugendzeit und über Scherfs Pazifismus: Der sanfte Rote, das dritte Kapitel. Scherf war ja sein Leben lang Pazifist, er hat immer den Kontakt zu den wichtigen Idolen des Pazifismus gesucht, zu Mandela beispielsweise. Ich habe insgesamt über 70 Leute befragt, von Bernd Neumann bis Klaus Wedemeyer, hatte Zugang auch zum SPD-Archiv – ich denke, das wird schon auch für die Bremer Lokalgeschichte ein interessantes Dokument werden.

Sind Sie denn sicher, dass es am Ende auch erscheint?

Aber ja.