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SYLVIA PRAHL
Mitunter ist die Lektüre von Bilderbüchern ziemlich anstrengend. Nicht weil sie so großformatig sind oder die Schrift zu klein ist. Sondern weil der erhobene Zeigefinger so übergroß ins Bild ragt und das Lernziel mit der Holzhammermethode unters Kind gemischt werden soll. Spaß? Unterhaltung? Wieso? Wozu?! Natürlich gibt es Beispiele, bei denen Amüsement und Hintersinn eine bestenfalls auch noch optisch ansprechende Allianz eingehen. Bei den meisten Büchern von Oliver Jeffers ist das der Fall. Der in Brooklyn lebende irische Autor, Künstler und Illustrator hat schon in seinen Büchern „Pinguin gefunden“, „Der Weg nach Hause“ und „Rauf und runter“ die ganz großen Themen „Was bedeutet eigentlich wahre Freundschaft“ oder „Wo gehöre ich hin“ witzig und denn doch pädagogisch wertvoll beackert. Das gelingt ihm ohne moralischen Zeigefinger und ist dabei für jedes Kind zu durchschauen und einzuordnen. In „Dieser Elch gehört mir“ geht es um die für Kindergartenkinder durchaus relevante Sache mit den auf jeden Fall immer absoluten Besitzansprüchen. Und das daraus resultierende Aufstellen von interessanten Regeln. Wilfried ist sich jedenfalls sicher, dass der Elch, der ihm zuläuft, ihm ganz allein gehört. Auf jeden Fall. Er nimmt sich seiner nicht nur an, sondern bestimmt, was das liebevoll störrische Tier zu tun und zu lassen hat. Marcel, so hat Wilfried „seinen“ Elch getauft, interessieren die Regeln allerdings überhaupt nicht, er hält sich nur zufällig an ein paar, weil sie ohnehin logische Tatsachen sind. Wilfrieds heile Welt kommt ins Wanken, als eine alte Frau ebenfalls ihre Besitzansprüche am Elch, den sie wiederum Rodrigo nennt, anmeldet. Beleidigt, weil der Elch bei der alten Dame verweilt, zieht Wilfried von dannen, verunglückt und wird – wer hätte das gedacht – vom Elch gerettet. Wilfried kommt ins Grübeln, ob das mit dem Besitzanspruch überhaupt so hinkommen kann – und erlässt die ultimative Laissez-faire-Regel: Der Elch hält sich an Wilfrieds ausgefuchste Regeln, aber nur wenn er will. Erwachsene kommen an sensiblen Tagen auch ins Grübeln: Hat der Jeffers mit seiner Parabel vom „Leben und leben lassen“ vielleicht gar nicht unbedingt Kinder als Publikum im Visier gehabt? Auf einigen Seiten hat Jeffers seine wie stets ausdrucksstarken, fußlosen Figuren in Landschaftsgemälde des realistischen Malers Alexander Dzigurski gestellt. Damit bereichert er seine Bilderwelt und unterstreicht ganz nebenbei, wie befruchtend das respektvolle Miteinander sein kann – und dass hintersinniger Humor dennoch nicht auf der Strecke bleiben muss (Nordsüd Verlag 2013, 32 Seiten, 14,95 €, ab 4 Jahren).