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Archiv-Artikel

Vor Ort RALF GÖTZE über alltägliche Ausländerfeindlichkeit in Münster

Vier Wochen lang stand nicht der altehrwürdige Friedenssaal, sondern der Ludgerikreisel sinnbildlich für die Völkerverständigung in Münster. Tausende Fußballfans unterschiedlicher Nationalitäten feierten hier weltmeisterliche Gastfreundschaft. Doch keine 50 Meter vom Kreisverkehr entfernt, zeigt sich Multikulti im Alltag: Drohbriefe und -anrufe bestimmen seit drei Jahren das Leben der vierköpfigen Familie Mahdavi.

Als der Hausverwalter auf Grundlage eines anonymen und mit diskriminierenden Floskeln versehenden Protokolls die Kündigung aussprach, war das Maß voll. Die deutsche Familie aus dem Iran ging zusammen Abgeordneten aller politischen Parteien an die Öffentlichkeit. „Seit drei Jahren führen wir kein schönes Leben mehr,“ sagt Nuri Mahdavi, denn nach dem ersten Drohbrief der „Aktionsfront Deutscher Interessen“ hat er Angst um das Leben der beiden Töchter, die vierjährige Shirin und die neunjährige Shadi. „Denken Sie an Ihre Kinder. Wir wollen nicht dass ihnen was passiert“, heißt es in dem Schreiben, das nicht nur mit nicht nur in jedem Satz eine eigenwillige Auslegung der deutschen Rechtschreib- und Kommaregeln dokumentiert. Weder braucht die Familie eine Klärung ihrer Aufenthaltsgenehmigung, da sie deutsche Staatsbürger sind, noch leben sie auf Staatskosten – ihr Kiosk im gut situierten Kreuzviertel pumpt vielmehr Steuereinnahmen in die öffentlichen Kassen.

Trotzdem nehmen Nuri und seine Ehefrau Nahid Mahdavi die Drohungen ernst. Schließlich wissen die Schreiber familiäre Details und benutzen eine Schreibweise des Nachnamens, die nur auf Türklingel zu finden ist. Als der Hausverwalter Abmahnungen schickte, wuchs in dem 43-Jährigen der Verdacht, dass die Widersacher im gleichen Haus sitzen. Grundlage ist anonymes Protokoll mit ebenfalls auffälliger Interpretation der deutschen Rechtschreib- und Kommaregeln, in dem der als „Büffelherde“ bezeichneten Familie in erster Linie Ruhestörung vorgeworfen wird. Auch Münsters grüner Polizeipräsident Hubert Wimber stuft die „Aktionsfront“ nicht als eine rechtsradikale Organisation, sondern als ein Vehikel nachbarschaftlichen Mobbings ein.

In hausinternen Streitigkeiten können sie sich zwar nicht einmischen, betonen die politischen Mandatsträger, aber sie unterstützen die Familie in ihrem Kampf gegen rassistische Anfeindungen. „Ihr Gang an die Öffentlichkeit ist ein richtiger Schritt“, sind sich die Landtagsabgeordneten Svenja Schulze (SPD) und Rüdiger Sagel (Grüne) mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Daniel Bahr einig. Der Großteil der Mietparteien und zahlreiche Anwohner haben sich mit der Familie Mahdavi solidarisiert. Auch Eigentümer Willi Lohmann reagierte entgeistert, als er von der Situation in seinem von einer Immobiliengesellschaft verwalteten Mietshaus hörte.

Die Kündigung will Nuri Mahdavi dennoch nicht gerichtlich anfechten. Vor einiger Zeit hat er bereits Bauland gekauft. Jetzt muss der Traum vom eigenen Haus eben schneller realisiert werden.