Geld fließt wie Eigenblut

Trotz Dopingskandals bleiben Sponsoren der Tour de France verbunden. Nach der Rundfahrt jedoch wollen die Förderer über Maßnahmen beraten

PAU taz ■ Eigentlich ist alles wie immer: Die Zuschauer drängen an die Absperrgitter, auf den Wagen der Werbekarawane schwingen junge Menschen zu lateinamerikanischen Rhythmen ihre Hüften. Die apokalyptische Stimmung des ersten Tages, an dem die Tour de France ihre größten Stars verbannt hatte und man meinte, der Radsport sei am Ende, hat sich verflüchtigt.

Nach zehn Tagen, in denen sich der Tour-Tross vom Elsass bis in die Pyrenäen geschlängelt hat, ist klar: Die Tour wird weitergehen. So, wie sie auch nach dem Dopingskandal 1998 weiterging. Die periodischen Eklats, die den Sport erschüttern, scheinen zu nicht viel mehr zu führen, als zu einem vorübergehenden Schock. Man entrüstet sich kurz, aber dann wird wieder Rad gefahren und gejubelt. Das ist auch die Erfahrung der Radsport-Sponsoren, und deshalb laufen sie trotz des belasteten Images nicht davon. Jörg Croseck, Sprecher der Geschäftsführung beim Mineralbrunnen Gerolsteiner – dem Förderer eines deutschen Top-Teams –, sagt: „Die Öffentlichkeit nimmt das Thema Doping zwar wahr, aber unsere Erfahrung ist, dass sich die Wahrnehmung des Sports mittelfristig wieder normalisiert.“ Die Normalisierung hat bereits begonnen. Am ersten Tour-Wochenende, unmittelbar nachdem man Jan Ullrich gesperrt hatte, schalteten zwar nur 1,4 Millionen Zuschauer die ARD an. Am vergangenen Wochenende schauten aber immerhin schon wieder 2,03 Millionen im ZDF die Tour – obwohl die Fußball-WM noch nicht vorbei war. Das lag zwar noch unter dem Durchschnitt von 2,67 Millionen aus dem Jahr 2005. Aber zwei Millionen Menschen sind eine Masse, die zu erreichen sich für Sponsoren durchaus lohnt.

Wenn es allein um die Reichweite ginge, gäbe es also für Radsport-Sponsoren trotz Dopings keinen Grund, ihr Engagement zu hinterfragen. „Wir erreichen während der Tour 10 bis 15 Millionen Menschen“, sagt etwa David Bing, Marketing-Leiter bei der Uhrenmarke Festina, als schlichten Grund dafür, dass die Firma der Tour seit 15 Jahren verbunden ist. Festina ließ sich auch nicht dadurch beirren, dass die Marke 1998 als Mannschaftssponsor mit dem bis dahin größten Dopingskandal der Radsportgeschichte in Verbindung gebracht wurde. „Die Leute können das schon trennen“, sagt Bing nonchalant.

Wenn sich Firmen jedoch über die Steigerung ihres Bekanntheitsgrades hinaus für ihr Geld – ein Radsportteam kostet sieben bis zwölf Millionen Euro im Jahr – einen Imagegewinn versprechen, sollte man meinen, dass Doping ein Ausstiegsgrund ist. Gerolsteiner etwa glaubt aber, dass das Werben mit den Radlern die Mineralwasser-Marke „jünger und internationaler gemacht hat“. Bislang sieht Jörg Croseck diese Werteinfusion nicht gefährdet. Allerdings, so der Marketing-Mann, rede man „schon darüber, wann der K.O.-Punkt erreicht ist.“

Bislang sei es allerdings noch nicht so weit. Die Verträge mit der Mannschaft laufen noch bis 2008. Eine Verlängerung, so Croseck, stehe nur dann in Frage, „wenn der Radsport einfach zur Tagesordnung übergehe“. Um das zu verhindern, haben die Radsport-Sponsoren beschlossen, in Zukunft ihren Sport nicht mehr alleine den Funktionären und Veranstaltern zu überlassen. Nach der Tour wollen sich die Förderer zusammensetzen und über Maßnahmen beraten. Mit dem Radsport zu werben scheint für die Firmen so interessant zu sein, dass sie lieber noch mehr investieren, um das Ansehen der Sportart zu reparieren, anstatt sich abzuwenden. „Man kann nirgends so viel erreichen wie im Sport“, sagt etwa T-Mobile-Pressesprecher Christian Frommert dazu, warum Unternehmen Millionen in die Finanzierung von Mannschaften und Wettbewerben stecken. Es muss den Firmen also so viel nutzen, dass die Toleranz für die Dopingbelastung ihres Emotionsträgers beträchtlich ist. „Doping ist ein Risiko, dass man im Sportsponsoring eben eingeht“, sagt Croseck. Vielleicht ist dieses Risiko jedoch geringer, als man meint. An französischen Landstraßen haben jedenfalls die Menschen zu hunderttausenden wieder ihre Campingwagen abgestellt, Transparente aufgehängt und bunte Trikots angezogen und warten geduldig auf die Tour. Dass Ullrich und Basso nicht dabei sind, ist schon beinahe vergessen. SEBASTIAN MOLL