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Archiv-Artikel

„TATORT“-KOMMISSARIN SIMONE THOMALLA HÖRT AUF. ABER WAS KOMMT DANN? HAUPTSACHE, MAN HAT ES ZUVOR NOCH NICHT GESEHEN Ein Zwergpinscher und ein metrosexueller Alien

David Denk

Direkt vermissen werde ich Simone Thomalla wohl nicht. Die „Tatort“-Kommissarin habe ich ihr nie so richtig abgenommen, für mich war sie immer die Frau aus den Klatschspalten, die mit dem Handballerfreund: Anders als die Figur ihres „Tatort“-Partners Martin Wuttke, den verlebt-soziopathischen Andreas Keppler, umgab ihre Eva Saalfeld kein Geheimnis.

Da konnte deren Familiengeschichte noch so tragisch sein – Thomalla fand dafür keine Entsprechung in ihrem Spiel, das man mit viel Wohlwollen reduziert nennen könnte: Ein Gesichtsausdruck, das legendäre Thomalla-Duckface, reichte ihr für die Ermittlungen in rund 20 Fällen seit 2008. Zwei Filme werden noch gedreht, Ende September fällt die letzte Klappe für den „Tatort“ aus Leipzig.

Der Abschied fällt auch deswegen leicht, weil die Filme in der Gesamtschau weder zu gut noch zu schlecht waren, um sich an sie zu erinnern – also irgendwie egal: Sie hatten nicht die Klasse vieler Münchner „Tatorte“, waren aber auch keine Totalausfälle wie die meisten Konstanzer – Krimidurchschnittsware.

Und weil alle paar Jahre mal auszumisten sowieso nicht schaden kann – auch und gerade im Fernsehen –, geht die MDR-Entscheidung voll in Ordnung.

Und jetzt?

Kommt das Problem.

Denn Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi hat angekündigt, dass der Sachsenkrimi „grundlegend neu gestaltet“ werden soll. Das macht mir Angst. Denn was der MDR unter frisch, jung und innovativ versteht, ließ sich erst im November beim neuen Erfurter „Tatort“ besichtigen: Der erste Fall „Kalter Engel“ kam so penetrant-berufsjugendlich daher, dass man sich als Zuschauer fremdschämte für Menschen, die dieses anbiedernde Klischeefeuerwerk für gutes Fernsehen halten – Menschen wie Jacobi.

Der Erfurter „Tatort“ war das Ergebnis eines großangelegten „Kreativwettbewerbs“ – mit dem man beim MDR offenbar so zufrieden ist, dass man das beim Sachsen-„Tatort“, der künftig nicht mehr in Leipzig beheimatet sein muss, zu wiederholen gedenkt: Der MDR plane, regionale und überregionale Produzenten um Konzepte zu bitten, sagte Fernsehfilmchefin Jana Brandt.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Montag

Josef Winkler

Wortklauberei

Dienstag

Deniz Yücel

Besser

Mittwoch

Martin Reichert

Erwachsen

Donnerstag

Ambros Waibel

Blicke

Freitag

Michael Brake

Nullen und Einsen

Beim letzten Mal kamen dabei zwei spätpubertäre Kumpelkommissare raus, die ihre Praktikantin piesacken und ihr „’nen geilen Arsch“ bescheinigen – „Das gab’s noch nicht“ ist in der Flut neuer „Tatort“-Kommissare offenbar zum einzig entscheidenden Argument geworden. Vielleicht ermittelt am neuen MDR-„Tatort“ ja ein Zwergpinscher (mit) oder der Kommissar ist schwul – wobei man den Zuschauer ja auch nicht überfordern darf. Also ist er eher nicht schwul, aber alle denken, dass er schwul sein muss, weil er nicht verheiratet ist und immer so gut gekleidet. Vielleicht trägt er sogar Kajal, dieser metrosexuelle Alien.

Wenn der MDR origineller ist als mein Brainstorming hier, wird alles gut. Wenn. Ich habe da meine Zweifel.

Es fällt mir wirklich schwer, das jetzt zu sagen, aber gut, wenn’s halt stimmt: Nicht auszuschließen, dass ich Simone Thomalla dann doch vermissen werde – zumindest ein bisschen.