Pittere Pille für den Premier

USA-BESUCH Die Freilassung des libyschen Lockerbie-Attentäters belastet die amerikanisch-britischen Beziehungen. Das bekommt David Cameron beim Antrittsbesuch zu spüren

„Wir alle hier in den USA waren überrascht, ent-täuscht und wütend“

BARACK OBAMA

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

So freundschaftlich, wie er gehofft hatte, war der Antrittsbesuch des britischen Premierministers David Cameron in Washington nicht. Seine gemeinsame Pressekonferenz mit US-Präsident Barack Obama am Dienstag wurde überschattet von BP und Lockerbie. Beide Fälle hängen eng zusammen: Zahlreiche US-Senatoren werfen Großbritannien vor, den verurteilten libyschen Lockerbie-Attentäter Abdelbaset al-Megrahi freigelassen zu haben, um BP ein lukratives Ölgeschäft mit Libyen zu ermöglichen.

„Wir alle hier in den USA waren überrascht, enttäuscht und wütend über die Freilassung des Lockerbie-Attentäters“, sagte Obama, der zum Ärger der britischen Regierung beharrlich von „British Petroleum“ spricht, obwohl der Öl-Multi diesen Namen schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Cameron bestritt, dass BP irgendetwas mit der Freilassung zu tun hatte. Er machte die schottische Minderheitsregierung der Scottish National Party (SNP) zum Sündenbock. Deren Entscheidung sei „vollkommen falsch“ gewesen, sagte er.

Tatsache aber ist, dass die damalige britische Regierung unter Labour-Premier Tony Blair ein Abkommen mit Libyen über die Überstellung von Gefangenen abgeschlossen hatte, das auf libyschen Druck al-Megrahi einschloss. Der schottische Justizminister Kenny MacAskill von der SNP ließ al-Megrahi daraufhin vor knapp einem Jahr frei, weil britische Ärzte bei dem 58-jährigen Prostatakrebs im Endstadium diagnostizierten und ihm höchstens drei Monate gaben, doch al-Megrahi hat alle Prognosen bislang überlebt.

Er war 2001 aufgrund dubioser Indizien für den Bombenanschlag auf eine Boeing 747 der US-Fluggesellschaft Pan Am kurz vor Weihnachten 1988 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bei dem Attentat starben sämtliche 259 Passagiere und Besatzungsmitglieder, elf Menschen wurden durch herabstürzende Flugzeugteile in der schottischen Kleinstadt Lockerbie getötet. Nach al-Megrahis Freilassung blühten die Geschäftsbeziehungen auf. Die libysche Investmentbehörde stieg groß in den Londoner Gewerbeimmobilienmarkt ein und eröffnete eine Zweigstelle in London. Umgekehrt unterzeichnete BP einen 900-Millionen-Dollar-Vertrag für Erdölbohrungen vor der Küste Libyens, dem mit 44 Milliarden Barrel Reserven ölreichsten Land Afrikas.

Cameron wies die Forderung von US-Außenministerin Hillary Clinton zurück, eine Untersuchung der Freilassung einzuleiten. Das sei unnötig, sagte Cameron, da er ohnehin wisse, dass die Entscheidung falsch gewesen sei. Er versprach aber eine erneute Prüfung aller Dokumente zu dem Fall. Cameron fügte hinzu, dass er die Verärgerung in den USA über die von BP verursachte Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko verstehen könne. Man müsse die beiden Fälle jedoch trennen. Es sei aufgrund der BP-Arbeitsplätze in den USA und Großbritannien im Interesse beider Länder, dass der Ölkonzern „stark und stabil“ bleibe.

Wenigstens bei Afghanistan und der wirtschaftlichen Erholung waren sich Obama und Cameron einig. Beide versprachen, ihre Truppen so lange in Afghanistan zu lassen, bis die afghanische Regierung in der Lage sei, die Kontrolle zu übernehmen. Und bei der ökonomischen Entwicklung betonten sie, dass sich beide Länder auf gutem Weg befänden, auch wenn sie sich in unterschiedlichem Tempo bewegten. Obama sagte zum Abschluss, er und Cameron hatten einen „brillanten Start als Partner“.