: Geisterfahrer bei der Tour
Obwohl nicht mehr im Sattel, suchen Lance Armstrong und Jan Ullrich die Frankreich-Rundfahrt heim. Die schwere Alpenetappe nach L’Alpe d’Huez gewinnt derweil der Luxemburger Radprofi Frank Schleck
AUS L’ALPE D’HUEZSEBASTIAN MOLL
Gilberto Simoni hat es aufgegeben, die Tour gewinnen zu wollen. Der dreifache Giro-Sieger ist immer wieder in Frankreich an Lance Armstrong gescheitert, nun begnügt er sich damit, bei der Tour mitzurollen. Doch obwohl er mit dem Thema Tour abgeschlossen hat, kann sich Simoni eine gewisse Freude darüber, dass Armstrong nicht mehr da ist, nicht verkneifen. „Ich verstehe nicht, was die Leute wollen“, sagte er vor der gestrigen Bergetappe nach L’Alpe d’Huez, die der Luxemburger Frank Schleck vor dem Italiener Damiano Cunego gewann; in Gelb fährt nun wieder Floyd Landis (USA), Andreas Klöden verbesserte sich im Gesamtklassement auf Rang 6.
„Erst meckern sie jahrelang darüber, dass Armstrong die Tour erdrückt“, sagt derweil der abgeschlagene Simoni, „jetzt meckern sie darüber, dass es keine Stars mehr gibt.“ Doch die Tour scheint ihre Stars zu vermissen. An den Serpentinen hinauf nach L’Alpe d’Huez, die in den Jahren der großen Duelle voll mit Fans waren, konnte man noch Stunden vor dem Rennen einen Stellplatz für seinen Camper finden. Sicherlich hatte das nicht nur mit der Empörung über den dopingverseuchten Radsport zu tun.
Die Tour musste freilich rund um ihre Königsetappe nicht ganz ohne ihre lieb gewonnenen Helden auskommen. Sowohl Jan Ullrich als auch Lance Armstrong suchten am Vorabend von L’Alpe d’Huez den Rundfahrttross heim. Ullrich machte sich in Form eines Fax bemerkbar, das er strategisch genau zu dem Zeitpunkt in das T-Mobile-Hotel senden ließ, an dem sein designierter Nachfolger als Mannschaftskapitän, Andreas Klöden, gerade mit der Presse über seine Ziele und Träume sprach. Zwar stand in dem Fax nicht viel drin. Weder schrieb Ullrich, dass er unschuldig sei, noch trug er sonst wie dazu bei aufzuklären, ob, warum und wie lange er sich gedopt hatte. Er bat lediglich die Öffentlichkeit darum, sein Grundrecht auf die Unschuldsvermutung zu respektieren – was angesichts solcher Manöver freilich immer schwerer fällt. Trotzdem gelang es ihm wieder einmal, seinem angeblichen Freund Andreas Klöden die Show zu stehlen. Ein mageres Ullrich-Fax ist scheinbar noch immer interessanter als ein Klöden in Fleisch und Blut, der um den Tour-Sieg fährt.
Lance Armstrong kam Montagabend sogar persönlich in Frankreich an. Und wie es so seine Art ist, begnügte sich der Texaner keinesfalls mit einem diskreten Besuch im Hotel seiner ehemaligen Mannschaft, die ihm ja zu 50 Prozent gehört. Armstrong legt es darauf an, in den zwei Tagen Tour ein Maximum an Unruhe zu stiften. Den Boden dafür bereitete er schon in der vergangenen Woche, als er in einer Fernsehsendung in den USA die französische Fußball-Nationalmannschaft als „Arschlöcher“ bezeichnete. Jahrelang hatte Armstrong vergeblich versucht, die Sympathien der Franzosen zu gewinnen, jetzt kann ihn Frankreich, das ihn aller Charme-Offensiven zum Trotz beharrlich hasst, offenbar gern haben. Seine ursprünglichen Pläne, im Teamauto hautnah an den Fans vorbeizufahren, revidierte Armstrong dann allerdings kurzfristig wieder – Schlagzeilen wie „Willkommen, Arschloch“ in France-Soir ließen ihn wohl um seine Unversehrtheit bangen. Die L’-Alpe-d’Huez-Etappe betrachtete er mit seiner Entourage im Hotel am TV. Erst am Donnerstag soll er sich auf die Strecke wagen.