Wiener Finanzminister in Seenot

Der Neoliberale Karl-Heinz Grasser nimmt schon gerne mal Einladungen von Unternehmern an, die er kontrollieren soll. Doch erinnern kann er sich später nicht daran

WIEN taz ■ Darf sich ein Minister von Unternehmern einladen lassen, die seiner Kontrolle unterliegen? Das ist eine der Fragen, die ein Jachturlaub von Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser im vergangenen August aufwirft. Gastgeber war Julius Meinl V., der seine Millionen vor allem als Bankier verdient.

Was den Kurzurlaub auf einer Motorjacht vor den Küsten Kroatiens besonders brisant macht, ist die Gesellschaft an Bord. Unter den Gästen befand sich auch der Milliardenspekulant Wolfgang Flöttl, der im Auftrag der Bank für Arbeit und Wirtschaft (Bawag) neunstellige Beträge in riskante Karibikpapiere steckte und damit Schiffbruch erlitt. Die Bawag gehört zu 100 Prozent dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Gegen ihre pensionierten oder abberufenen Direktoren ermittelt die Justiz. Was hat der Neoliberale Grasser mit der roten Bank zu tun? Der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz wirft ihm vor, zwei Prüfberichte der Österreichischen Nationalbank ignoriert zu haben, in denen auf die mangelnde innere Revision der Bawag, „vor allem bezüglich Großveranlagungen“ hingewiesen wurde.

Der erste Bericht stammt von 2001. Grasser, dem die Bankenaufsicht untersteht, wurde nicht aktiv. Er sehe keinen Handlungsbedarf, da der Bericht als Auftrag zur Verbesserung der Missstände an die Bankführung zu verstehen sei. Dass er auch zwei Jahre später auf den zweiten Bericht nicht reagierte, der dieselben Mängel rügte, kann Pilz nicht nachvollziehen. Hätte Grasser rechtzeitig gehandelt, hätten die Finanzjongleure der Bawag vielleicht gestoppt werden können.

So flog der Skandal erst im Gefolge der Pleite des eng mit der Bawag verstrickten US-Finanzunternehmens Refco im vergangenen Herbst auf. Die Opposition mutmaßte, Grasser habe aus Freundschaft zu Flöttl beide Augen zugedrückt. Grasser bestritt anfangs, Flöttl zu kennen. Auch den Urlaub auf der Meinl-Jacht ließ er von seinem Sprecher dementieren, bis die Beweise auf dem Tisch lagen. Rücktrittsforderungen verhallen aber ungehört. Grasser sieht eine Schmutzkampagne der Opposition und die ÖVP steht hinter ihm: die SPÖ wolle nur den erfolgreichen Finanzminister desavouieren.

Grasser spielt spätestens seit seiner Liaison mit der Tiroler Kristallerbin Fiona Swarovski im europäischen Jet-Set mit. Als Finanzminister sei er bestenfalls mittelmäßig, urteilen Ökonomen. Er könne zwischen öffentlich und privat nicht unterscheiden, meinen nicht nur Gegner.

Auf der Jacht sei nur Smalltalk geredet worden, versicherte Grasser, als das Zusammentreffen mit Flöttl nicht mehr zu leugnen war. Sonst hätte er keine Einladungen von Banken angenommen. Auch das stimme nicht, weist Peter Pilz nach. Nach Auskunft der Meinl-Bank sei Grasser im September 2003 mit Julius Meinl in dessen Privatjet zu einer Theateraufführung nach Venedig geflogen. Im März 2004 wurde er von der Constantia Privatbank nach St. Moritz geflogen und im Kempinski einquartiert. „Kann sich Österreich einen Finanzminister mit einem so geringen Kurzzeitgedächtnis leisten?“, fragt Pilz. RALF LEONHARD