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Archiv-Artikel

Sprinterin mit DDR-Tempo

Die schnellste Frau Europas ist eine Deutsche. Verena Sailer, die 24 Jahre alte Sprinterin aus dem Allgäu, hat bei der Leichtathletik-EM in Barcelona Gold über 100 Meter gewonnen. 11,10 Sekunden hat sie für die Strecke gebraucht – persönliche Bestzeit. Die 1,66 Meter kleine Läuferin, die 2007 U23-Europameisterin war, ist zum deutschen Star der EM geworden. Lange hat es für das Land der Werferinnen und Stoßerinnen keinen derartigen Erfolg auf der Laufbahn gegeben. „Eine Medaille im Sprint ist etwas ganz Besonderes. Das ist historisch“, meinte Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Die bis dato letzte deutsche Europameisterin aus Deutschland war die kurz darauf im Dopingsumpf versunkene Katrin Krabbe, die vor 20 Jahren den Titel gewann. Danach kam nicht viel. Und beinahe schien es, als sei man im Verband froh darüber gewesen, mitten in der Debatte über die Löschung anrüchiger Dopingrekorde keine Leistungen kommentieren zu müssen, die verdächtig schienen.

Die Zeit des schlechten Gewissens ist vorbei. Jetzt wird gefeiert. Und die junge Frau Sailer, die schon bei der WM 2009 in Berlin schnellste Europäerin war, soll tatsächlich vorankommen in den deutschen Rekordlisten, an deren Spitze im Sprintbereich mit Marlies Göhr und Marita Koch Sportlerinnen stehen, die das DDR-Dopingsystem durchliefen. „Sie kann auch 11,00 laufen“, sagt Rüdiger Harksen, Cheftrainer der deutschen Läufer, über Sailer. Solche Zeiten wurden hierzulande bisher nur von Frauen im blauen DDR-Trikot gelaufen. Marlies Göhrs Rekord steht bei 10,81 Sekunden.

Von Verena Sailer, die bei Valerij Bauer, einem Deutschkirgisen, der aus der sowjetischen Trainerschule stammt, trainiert, wird man zum Thema Doping nicht viel erfahren. Sie erweckte immer den Eindruck, als sei ihr das Thema egal. Nun ist sie ausersehen, die Debatten über Doping auf der Sprintstrecke zu beenden. Wenn die beste deutsche Sprinterin der Gegenwart sauber um die 11 Sekunden läuft, wer sagt dann, dass all die DDR-Supersprinterinnen immer gedopt liefen? Die Zeit des Hinterherlaufens ist vorbei. Es darf wieder gerast werden. ANDREAS RÜTTENAUER