: Aufrüstung an der Weser
Einst war Bremen das Bundesland mit dem einzigen Konversionsprogramm der Republik. Jetzt mausert sich der klamme Stadtstaat mangels Alternativen wieder zum Standort für die Rüstungsindustrie – als Mittel gegen Verarmung
„Schwerter zu Pflugscharen“ war nicht nur der Slogan der Friedensbewegung der 70er und 80er Jahre. In Bremen ist daraus, beflügelt von der einstigen Ampel-Koalition, sogar ein politisches Konzept geworden. Zwischen 1992 und 2000 stellte der hochverschuldete Stadtstaat als einziges Bundesland 25,6 Millionen Euro für die Konversion zu Verfügung, die EU bezuschusste die Umwandlung von Rüstungs in „Friedens“-Industrie. Immerhin 60 Projekte wurden finanziert, „Airbus war nicht dabei“, sagt Wolfgang Elsner.
Der Wirtschaftsprofessor hatte als einstiger Konversionsbeauftragter sogar eine Mitarbeiterin. Und Erfolg: Von ehemals 10.000 rüstungsabhängigen Arbeitsplätzen im Stadtstaat gab es zum Schluss des Programms nur noch 3.000. Der einstige Konversionsfonds wurde später zur Förderung der Raumfahrt an der Weser umgewandelt.
Es ging dabei um Jobs, aber nicht nur: Für die friedenspolitische Untermauerung des Ziels, Bremen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts weniger abhängig von Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie zu machen, rief das Land sogar eine Stiftung ins Leben. Einer der rund 140 Gründer war der spätere Bürgermeister Henning Scherf (SPD).
Elsners Job bestand im Klinkenputzen und darin, die Firmen auf die Fördermittel aufmerksam zu machen. So versuchte er damals, die Motorenwerke Bremerhaven vom Pfleger der Pershing-Raketen zum Bauer von Blockheizkraftwerken zu „konvertieren“, STN Atlas Elektronik zum Bau eines Satelliten-Telefons zu ermuntern und die damalige DASA zum Bau eines Flugroboters für zivile Zwecke zu animieren. Einige Firmen wie die Deutsche System Technik gingen trotz Konversions-Bemühungen in die Pleite.
Mit dem Ende des Konversionsprojekts wurde Bremen offenbar auch immer attraktiver für kriegsnahe Industrien. Die Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack produziert Fregatten und Korvetten, die STN Atlas liefert die Ausrüstung. Zudem kooperieren Lürssen und STN mit Abeking & Rasmussen im nahen Lemwerder und dem Bremer Airbus-Bauer EADS heute beim Bau von unbemannten Drohnen zur Ortung und Sprengung von Seeminen.
Trotz des Projekts wurde aber auch schon zu Konversionszeiten indirekt weiter die Rüstungsindustrie gefördert. Die Kohlefaserflügel im gestern präsentierten Militärtransporter A 400M sind Ergebnis eines Wirtschaftsförderprojektes des Senats. „An einem Standort mit starker Rüstungsindustrie bedeutet Wirtschaftsförderung immer Rüstungsförderung“, sagt Elsner heute. Trotz gegenteiliger Beteuerungen arbeitet heute jeder fünfte der insgesamt 5.000 EADS-Arbeiter an Militärprojekten.
Als der Bundestagsabgeordnete Volker Kröning (SPD) vor einigen Jahren Bremen zum europäischen Zentrum des europäischen Marineschiffbaus ausrief, beschimpfte ihn das Friedensforum als „Rüstungslobbyist“. Kröning, ebenfalls Gründer der Stiftung Rüstungskonversion gewesen, sagte damals zur taz: „Die Alternative ist doch, dass die Region verarmt.“ Kai Schöneberg