Tanz zu zweit

Kammerspiel Ein Mörder, der zum Glauben gefunden hat, trifft auf einen Kirchenbeamten, der ihn vergessen hat: „Der Prediger“ (20.15 Uhr, ARD) lebt von seinen Hauptdarstellern

VON LEA STREISAND

Dieser Film macht das ganz große Fass auf: Glaube. Auch wenn der Kirchenvertreter im Film es zunächst nicht wahrhaben will: „Es geht hier nicht um meinen Glauben“, sagt der Referent des evangelischen Bischofs (Devid Striesow) zu dem verurteilten Mörder Jan-Josef Geissler (Lars Eidinger). „Doch“, widerspricht der Mörder, der Pfarrer werden will. „Genau darum geht es. Ihr Bischof wird Sie fragen, ob Sie an mich glauben.“ Denn Geissler hat ihn schriftlich um die Erlaubnis zum Studium gebeten, um die Rückendeckung der Kirche.

Produzent Ernst Ludwig Ganzert wurde schon vor Jahren auf die Geschichte eines Seelsorgers aufmerksam, dessen Leben durch die Enthüllung seiner kriminellen Vergangenheit zerstört wurde. Für die Verfilmung von Thomas Berger (Buch und Regie) wurde die 30-jährige Odyssee zum Kammerspiel komprimiert. In sokratischen Dialogen stellen sie sich gegenseitig auf die Probe, umgarnen einander, testen ihre Glaubwürdigkeit.

Auch die Zuschauer müssen sich im Verlauf dieses bemerkenswerten Films mehrfach der Glaubensfrage stellen. Nicht nur der Gretchenfrage, auch der nach der eigenen Wahrnehmung, der eigenen Urteilskraft.

„Ich will wissen, ob Sie glauben, ich spiele Ihnen etwas vor“, sagt Geissler. Eidinger gibt den Prediger mit aggressiv wirkender Zurückgenommenheit. Die Stimme klingt, als würde er einem Kleinkind Bonbons anbieten. Das hat ihn selbst überrascht, sagt er im Interview. „Als ich den Film das erste Mal gesehen hab, dachte ich die ganze Zeit: Warum red’ ich denn da so hoch?“ Er tauche in seine Figuren ein, sagt Eidinger und spiele dann aus ihnen heraus.

Striesow und er waren schon zusammen auf der Schauspielschule Ernst Busch, haben seitdem aber kaum und erst recht nicht so intensiv zusammengespielt wie in dieser Produktion. Eidinger erzählt: „Devid hat diese Methode, dass er bis zum ,Bitte‘, bis kurz vor dem Moment, wo man tatsächlich dreht, Quatsch macht, um sich locker zu machen.“ Er selbst sei da ganz anders: „Ich brauche die Konzentration, weil das Eintauchen in die Rolle für mich auch den Spaß am Beruf ausmacht. Deshalb stresst mich das auch, wenn Kollegen direkt vor dem Take fragen: Bei welcher Agentur bist du eigentlich? Aber Devid ist sensibel genug, um das zu spüren.“

Mit einem weniger exquisiten Cast hätte diese wortlastige Inszenierung in die Hose gehen können. Manchmal will der Film zu viel, behauptet Konflikte, die keine sind. Die teilweise holzschnittartige Charakterisierung der Nebenfiguren (die Frau als Allegorie der Sünde, der Gefängnispfarrer als naiver Hippie) ist ähnlich ärgerlich wie die Hintergrundkitschmusik. Aber es ist eine Freude, den beiden Protagonisten zuzusehen, wie sie umeinander tänzeln. Die Wiederbegegnung der Schauspieler vermischt sich mit den Begegnungen ihrer so gegensätzlichen Figuren. Die Gesichter erzählen das Gegenteil dessen, was die Münder sagen. Der Dialog enttarnt sich als Maskenspiel.