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Archiv-Artikel

Der gläserne Versicherungsmakler

Die Bundesregierung will per Gesetz für mehr Transparenz beim Abschluss von Lebensversicherungen sorgen. Die Kunden sollen wissen, wie viel Provision gezahlt wird

Wer seine Kunden optimal berät, riskiert den eigenen Konkurs, sagt ein Makler

BERLIN taz ■ Die Lebensversicherer sind aufgeschreckt. Wenn das Kabinett nach der Sommerpause dem Entwurf des Justizministeriums zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zustimmt, könnte ihr Produkt nämlich rapide an Beliebtheit verlieren. Denn die Versicherungen sollen künftig alle Provisionen offenlegen, die der Vermittler für den Abschluss eines Vertrages bekommt. Und diese sind bei Lebensversicherungen sehr viel höher als etwa bei Sach- und Haftpflichtversicherungen.

Die neue Regelung soll den Verbraucher dafür sensibilisieren, dass die Empfehlung des Vermittlers auch von dessen eigenen Provisionsinteressen geleitet sein könnte. Wer eine normale Lebensversicherung mit einem Monatsbeitrag von 100 Euro verkauft, kann mit einem Schlag mindestens 1.000 Euro Provision kassieren.

Allein wegen der unterschiedlich hohen Provisionen für die verschiedenen Versicherungsprodukte sei es geradezu ausgeschlossen, dass der Vermittler sich am Bedarf des Kunden ausrichte, meint Wolfgang Scholl, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Selbst fimenunabhängige Makler hängen am Tropf der höchsten Provision. Sie erhalten die lukrativsten Abschlussprämien oft von den Anbietern, die für die Kunden am ungünstigsten sind. Die Folgen formuliert ein Makler, der ungenannt bleiben möchte, so: „Wer seine Kunden optimal berät, riskiert so den eigenen Konkurs.“

Dabei sind sich Verbraucherschützer, Stiftung Warentest und der Bund der Versicherten (BDV) sowieso darüber einig, dass Kapitallebensversicherungen zu Unrecht das beliebteste Finanzprodukt der Deutschen sind. „Fälschlicherweise schließen viele Menschen eine Lebensversicherung ab, um damit ihre Altersvorsorge zu sichern, Kapital aufzubauen oder die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren“, bedauert BDV-Geschäftsführerin Lilo Blunck. Kapital-Lebensversicherungen sind ein Mischprodukt: Zusätzlich zur eigentlichen Versicherungsleistung – nämlich im Todesfall einzuspringen – gelten sie als klassische Sparanlage. Beide Ziele können jedoch besser mit einzelnen Produkten, einer billigeren Risiko-Lebensversicherung und einem Investmentfonds, erreicht werden, sagen Finanzexperten.

Die Verbände begrüßen deshalb den Entwurf für das neue Gesetz. Er geht ihnen jedoch nicht weit genug. Der VZBV plädiert für eine grundsätzliche Stärkung der Beratung gegen ein Honorar. Dann würde der Kunde dem Vermittler eine Beratungsgebühr zahlen und könnte im Gegenzug auf eine unabhängige Empfehlung hoffen.

Aber wer will schon 500 oder 1.000 Euro für einen Rat berappen, den er anderswo scheinbar umsonst erhält? Das Fachblatt Versicherungsjournal glaubt deshalb, dass sich der Verband ein „Eigentor schießt“. Der Kunde kaufe, wo es am billigsten sei. Eine Honorarregelung würde den Vermittler dann unter Druck setzen, möglichst viele und im Zweifel auch unpassende Produkte loszuschlagen.

HERMANNUS PFEIFFER