piwik no script img

Archiv-Artikel

„Auch die Mieter profitieren“

Wohnungsmarktexperte Ulrich van Suntum glaubt trotz der wachsenden Kritik an die Privatisierung staatlicher Wohnungen. Öffentliche Haushalte müssen entlastet werden

INTERVIEW HOLGER PAULER

taz: Herr van Suntum, Fortress will mit seinen Immobilien an die Börse, RAG-Immobilien und Annington auch. Müssen die Mieter dafür zahlen?

Ulrich van Suntum: Für die Mieter ist das unerheblich. Im Gegenteil, nach dem Verkauf gibt es meistens eine Sperre für Mieterhöhungen, Kündigungsfristen werden verlängert.

Unternehmen sind doch keine Wohltäter. Die Gewinne stehen im Vordergrund.

Sicherlich geht es auch um die Refinanzierung. Von der Privatisierung profitieren aber alle. Die Gesellschaften investieren in die Objekte, um sie attraktiver zu machen – für Mieter und Käufer. Die Wohnviertel werden sozial stabiler, die Häuser sehen gepflegter aus. Natürlich wird es auch einen Restbestand geben, der nicht wirklich attraktiv ist. Hier werden die Preise sinken. Die Neueigentümer haben dann einen größeren Spielraum.

US-amerikanische Analysten raten von Investments ab...

Sie können den Markt nicht mit dem deutschen vergleichen. In den USA gab es in den vergangenen Jahren einen enormen Preisanstieg, momentan stagniert der Markt. Auf dem deutschen Markt sind hingegen langfristig Gewinne zu erwarten – trotz der demografischen Entwicklung. Die Zahl der Haushalte wird steigen und die Leute werden auch wieder mehr Geld verdienen.

Die Landesregierung plant den Verkauf der LEG. Eine Volksinitiative warnt davor, weil sie steigende Mieten, eine Aushöhlung des Mieterschutzes und Entlassungen bei den Firmen befürchtet.

Ich sehe das Vorhaben positiv, weil es den Landeshaushalt entlastet. Neun Prozent des NRW-Haushaltes gehen jährlich allein für Zinsen auf alte Schulden drauf. Durch den Erlös der LEG kann die Belastung etwas abgesenkt werden. Und wie bereits erwähnt, glaube ich nicht, dass die Mieter darunter leiden werden. Der Protest der Verbände und Gewerkschaften richtet sich wohl eher gegen den befürchteten Arbeitsplatzabbau in den Wohnungsunternehmen.

Aber Kommunen und Land geben ein wichtiges Instrument zur Steuerung sozialer Mieten aus der Hand.

Sie müssen ja nicht gleich alles verkaufen. So bleibt ein Restbestand, auf den die Kommunen zurückgreifen können, um sozial schwächere Mieter zu versorgen. Im übrigen kann man auch beim Verkauf Belegungsrechte vereinbaren oder kommunales Wohngeld zahlen.

Ist der Verkauf des Tafelsilbers nicht zu kurz gedacht?

Wenn das Geld sofort wieder ausgegeben wird, bringen die Einnahmen in der Tat nur kurzfristig eine Entlastung des Haushaltes mit sich. Die Kommunen müssen auch auf Dauer besser wirtschaften, also insbesondere weniger ausgeben. Wenn die Verkaufserlöse zur Schuldentilgung eingesetzt werden, sinken immerhin schon mal die Zinsbelastungen.

Wird es in zehn Jahren noch Wohnungen in öffentlicher Hand geben?

Hoffentlich nicht mehr im jetzigen Ausmaß. Nicht jede Kommune braucht eine eigene Wohnungsbaugesellschaft.