Rainer Ullrich, Expeditionsmaler
: Eis, blau-grün schimmernd

■ ist gebürtiger Flensburger und wohnt in Hamburg. Am Alsterberg betreibt er sein Atelier „Art & Work“.Foto: privat

Ullrich beschreibt das Geräusch als dumpfes Grollen. Ein tiefes, kurzes Knacken sei es gewesen, als der größte Eisbrecher der Welt die bis zu vier Meter dicke Schicht durchbrach. Zwei Wochen war der Expeditionsmaler mit dem Arbeitsschiff „50 Years of Victory“ unterwegs und wird ganz ehrfürchtig, wenn er von der „brutalen Kraft des Eisbrechers“ erzählt, der das Eis weg drückte, als wäre es eine Zuckerkruste. Die Route ging vom russischen Murmansk zum 90. Breitengrad. Einmal Nordpol und zurück.

Mit an Bord: Skizzenblöcke, Stifte und Pinsel. Ullrich skizziert die Bilder, die ihm bei seinen Expeditionen vor die Augen treten. Alles flüchtige Momente, die sich innerhalb von Minuten wieder verlieren. Er mag es, wenn ihm die Besatzungsmitglieder bei der Arbeit über die Schulter schauen. Seine Arbeitsweise erinnert dabei an eine alte Ära, als es noch keine Kameras gab und Entdecker wie Humboldt oder Cook auf Maler wie ihn angewiesen waren.

Von der Nordpol-Expedition ist er gestern zurückgekehrt. Sein 60-seitiges Skizzenbuch ist voll von Eisbären, Walrossen, Robben – und ganz viel Eis. „Die Farbe des Eises variiert je nach Sauerstoffgehalt“, erklärt Ullrich. Mal sei sie grünlich, mal bläulich, weiß werde sie nur durch den Schnee. „Wenn sich die Schollen durchs Wasser drehen und die Sonne darauf strahlt, das ergibt ein wahnsinniges Farbspektrum“, sagt er leise.

Seinen Job als Werbegrafiker hat Ullrich schon vor Jahren aufgegeben. Wann genau, kann er nicht mehr sagen. „Irgendwann, als der Computer wichtiger wurde als die von Hand gezeichnete Illustration.“ Ullrich ist geschieden, hat zwei erwachsene Kinder. 1981 begann er zu reisen: durch den tropischen Regenwald rund um den Amazonas, zu den Eisbergen nach Grönland und mit dem Kutter quer durch die Nordost-Passage.

Seine Faszination blieb dabei immer das Wasser, in jedem Aggregatzustand. „Himmel, Wasser und Eis sind dynamisch“, sagt er. Eine Extremgewalt, die auch feindlich sein kann. Wie im Falle gescheiterter Expeditionsmitglieder, die einst in voller Montur tot aufgefunden werden. Konserviert durch das Eis. EMS