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Archiv-Artikel

Ein Zauberwald in Korea

Shakespeare-Wochen auf der Rennbahn. Die Yohangza Visual Theate Company aus Seoul zeigt im Neusser Globe eine universelle Adaption des Sommernachtstraumes mit Tanz, Gesang und Kung Fu

VON PETER ORTMANN

Aus einem Deppen mach‘ zwei Spaßvögel. Ganz einfach haben die Koreaner den Puck geklont und das nicht zu seinem Nachteil. Seine Persönlichkeit wird nun offenbarer. „Shakespeare ist keine europäische Kultur, er ist universell“, sagt dazu Ko Yong-Han, Bühnenmanager der Yohangza Visual Theate Company aus Seoul, die eine ganz eigene Version zum Shakespeare Festival auf die Pferderennbahn im Rheinland brachten. Mit „ihrem“ Sommernachtstraum haben sie weltweit bereits zahlreiche Festival-Preise gewonnen.

In Neuss locken nicht die schnellen Rösser, sondern der Globe, der dort neben der Rennstrecke steht. Ein unscheinbarer grauer Plattenbau, nach dem Original in London gebaut. Ambivalenz war dabei wichtiger, als ein detailgenaues Abbild der Shakespeareschen Laster-Höhle, in der gesoffen und herumgebrüllt wurde.

Festivalleiter Rainer Wiertz hat die neunköpfige Truppe mit ihrem Regisseur Yang Jung-Ung in Edinburg entdeckt und umgehend gebucht. Jung-Ung schafft mit Körpersprache, Musik und Raum eine universelle Bühnenwelt, in der die Sprache eine eher untergeordnete Rolle spielt, was den unterhaltsamen koreanischen Shakespeare-Reigen aus Tanz, Gesang und ein bisschen Kung Fu auch für deutsche Augen und Ohren absolut verständlich macht.

So ganz getreu nach August Wilhelm von Schlegel ist die Handlung nämlich nicht. Neben der Doppelfigur des Puck sind auch die Rollen von Oberon und Titania vertauscht. Es ist Dot, die Chefin der koreanischen Kobolde (sie heißen Dokkebi und unterscheiden sich in nichts von menschlichen Wesen), der das Macho-Schürzenjägertum ihres Gatten Gabi auf die Nerven geht und die ihn in dieser Nacht ein bisschen quälen will. Und so jagt sie ihm statt dem armen Zettel ein vulgäres, altes Kräuterweib auf den Hals, das immer auf der Suche nach der legendären tausendjährigen Ginsengpflanze ist. Die Wirrungen um die zwei Liebespaare, die sich falsch verliebt im Wald verirren, am Ende aber doch –Dot sei Dank– natürlich finden, wurde Shakespeare-äquivalent übernommen.

Die Inszenierung glänzt mit einer perfekten Choreographie, an der alle Protagonisten beteiligt sind, selbst das alte Kräuterweib. Park So-Young ist nämlich keine junge Tänzerin mehr, was sie an Körperbeherrschung noch zeigt, ist absolut erstaunlich. Ein Bühnenbild braucht die Truppe auch nicht. Sie wirbelt meist buddhistisch weiß und maskenhaft geschminkt über die Bretter des Nachbau-Globes. Dafür hat in der östlichen Theater-Theorie die Körpersprache eine viel höhere Bedeutung als im Westen. Enorme Mimik und perfekte Posen ersetzen locker die sonst beim Sommernachtstraum üblichen üppigen Waldbühnenbilder. Bei Yang Jung-Ung stehen Schauspiel, Komik, Tanz, Licht und Klang eben gleichberechtigt zusammen. Dazu wird das Publikum viel häufiger als an westlichen Bühnen in das Geschehen, das manchmal sogar an die berühmte Peking-Oper erinnert, mit einbezogen – natürlich zum allgemeinen Gaudi. So wird viel von der normalen, schwülen Inszenierungspraxis genommen und in 90 Minuten ein Sommernachtstraum kreiert, der als koreanisches Spektakel enorm kurzweilig ist.

Die glänzenden Darsteller zu finden, war nicht einfach. „Sie mussten eben schauspielern, tanzen und singen“, sagt Yong-Han. Und sie müssen im Stück die Musik selbst machen. Die ist zwar einfach arrangiert und fast ausschließlich von Percussions- und Rhythmus-Instrumenten dominiert. Doch jeder, der gerade Spielpause hat, muss die Trommeln und Flöten von dem übernehmen, der in diesem Moment ins Rampenlicht muss.

Das Shakespeare Festival in Neuss dauert noch bis Mitte August. Interessant wird bestimmt der Hamlet von der Bayerischen Theaterakademie; kürzer, frecher und witziger als sonst. Und auch „Rosenkranz und Güldenstern sind tot“ von Tom Stoppard wird sehenswert. Die beiden Nebencharaktere aus Hamlet erhalten hier endlich die gerechte Chance, um ihre Daseinsberechtigung zu kämpfen.

Infos: www.shakespeare-festival.de