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Archiv-Artikel

Bahn als Saunaclub

Immer mehr Bahnkunden beschweren sich über ausfallende Klimaanlagen in Pendlerzügen, auch der Betriebsrat fordert Abhilfe, Experten warnen vor Hitzschlägen. Doch die Bahn wiegelt ab

VON DIRK ECKERT UND MATTHIAS HENDORF

Wegen häufig ausfallender Klimaanlagen in nordrhein-westälischen Zügen regt sich zunehmend Protest bei den Bahnkunden. „Wir haben die Beschwerden am Dienstag der Bahn weitergegeben“, berichtet Melanie Schliebener von der „Schlichtungsstelle Nahverkehr“ der Verbraucherzentrale NRW. Normalerweise würden sich kaum Kunden melden wegen Hitze im Zug, sagt Schliebener. Im Juli seien hingegen schon 15 Beschwerden eingegangen. „Die Bahn muss jetzt dazu Stellung nehmen“, fordert sie. Der NRW-Betriebsrat hat die Bahn bereits aufgefordert, die Missstände zu beheben, berichtet Personalvertreter Herbert Mahlberg. „Der Ausfall der Klimaanlagen im Nahverkehr geschieht zu häufig“, findet er.

Betroffen vom Ausfall der Klimaanlagen sind vor allem Berufspendler: Wenn sie fahren, sind die Züge so voll, dass sie nicht auf andere Waggons ausweichen können. Die Fenster lassen sich auch nicht öffnen. Zwar ist es laut Schlichtungsstelle noch nicht zu Kreislaufzusammenbrüchen gekommen. „Es besteht aber die Gefahr eines Hitzschlags“, weist Hartmut Krabs-Höhler, Rettungsdienstexperte des DRK Landesverband Nordrhein, auf die Gefahren hin. „Besonders bei Menschen mit Vorerkrankungen, Kleinkindern und Älteren.“ Verkehrsexperten warnen zudem vor negativen Folgen für das Image der Bahn. „Das schreckt Leute ab, wenn sie so einen Zug erwischen“, fürchtet Lorenz Redicker vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Dortmund. „Dann fahren sie wieder im eigenen Auto mit Klimaanlage.“

Die Bahn zeigte sich gegenüber der taz überrascht ob der Beschwerden. „Uns liegen keine Daten zu Bahngästen mit Hitzeproblemen vor“, kommentiert Gerd Felser, Pressesprecher der Bahn in Nordrhein-Westfalen. „Die Klimaanlagen funktionieren in der Regel.“ Auch dass sich die Fenster in den heutigen Zügen nicht mehr öffnen lassen, sei nicht zu ändern, meint Felser. „Eine Umrüstung ist nicht rentabel.“ Mehr Waggons will die Bahn auch nicht einsetzen. „Man kann nicht mehr Wagen anhängen, als Platz am Bahnsteig ist“, sagt Felser.

Bei der letzten großen Sommerhitze vor drei Jahren verhielt sich die Bahn noch generöser. Für den Fall, dass die Klimaanlage streikte, wurden zumindest ICE- und IC-Kunden wahlweise Erfrischungsgetränke, andere Abteile oder ein Entschädigungsbon von zehn Euro angeboten. Derlei Entschädigungen sind in diesem Sommer nicht vorgesehen. „Keine Notwendigkeit“, sieht Felser zurzeit für solche Maßnahmen. „Der nächste Bahnhof ist ja nicht weit“, so sein lapidarer Kommentar.

Auch die Verbraucherzentrale NRW kann schwitzenden Bahnkunden nur wenig Hoffnung machen. „Auf so extreme Temperaturen ist in Deutschland kaum ein Unternehmen eingerichtet“, sagt Schliebener. „Wer nur im Zug schwitzt, wird kaum einen Schadensersatzanspruch haben.“ Zu derselben Einschätzung kommt Ansgar Staudinger, Direktor der Forschungsstelle für Reiserecht an der Uni Bielefeld. Grundsätzlich gebe es zwar einen Anspruch auf Preisminderung, wenn Mängel auftreten. „Aber es ist schwierig, den Wert der Minderung zu bemessen.“

Wie gering Entschädigungen sein können, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2002: Damals fielen im Wupper-Express zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach vier von fünf Klimaanlagen aus, in den Abteilen herrschten teilweise bis zu 60 Grad. Die Bahn zahlte ganze 50 Euro Schadensersatz. Natürlich nur denjenigen, die sich bei der Schlichtungsstelle gemeldet hatten.