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Archiv-Artikel

Übergangsregierung zerfällt

In Somalia legen 18 Minister der Übergangsregierung aus Protest gegen den von Äthiopien gestützten Regierungschef Gedi ihre Ämter nieder. Minister erschossen

Dem Regierungschef wird vorgeworfen, Friedensgespräche abgebrochen zu haben

BERLIN taz ■ Am Sitz der somalischen Übergangsregierung in der Stadt Baidoa ist ein Minister ermordet worden, der sich in den vergangenen Tagen für ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Mohammed Ali Gedi eingesetzt hatte. Der für Verfassungsfragen zuständige Minister Abdallah Isaaq Deerow wurde gestern nach dem Freitagsgebet vor einer Moschee in Baidoa von einem Unbekannten mit drei Schüssen getötet.

Erst am Vortag waren insgesamt 18 Minister der Übergangsregierung aus Protest gegen ihre Chef Gedi zurückgetreten. Sie werfen dem von der äthiopischen Regierung unterstützten Ministerpräsidenten vor, die Friedensgespräche mit dem Obersten Islamischen Gerichtsrat abgebrochen zu haben. Die Milizen der „Union islamischer Gerichtsmilizen“, die den Süden des Landes kontrollieren, nahmen im Juni die Hauptstadt Mogadischu ein. Das mehrheitlich christliche Nachbarland Äthiopien fürchtet, dass die Islamisten ihren Einfluss über die Grenze ausdehnen könnten.

Am vergangenen Wochenende hatten sich die Spannungen zwischen den faktischen neuen Machthabern Somalias und der Regierung in Addis Abeba weiter verschärft. Äthiopische Truppen rückten nach Augenzeugenberichten in den Ort Wadschid zwischen der somalisch-äthiopischen Grenze und Baidoa ein. Die dortige Übergangsregierung gilt als weitgehend machtlos.

Gestern forderte der UN-Gesandte François Lonsény Fall den Vorsitzenden des Exekutivrates des Obersten Islamischen Rates, Scheich Shariff Ahmed, erneut zur Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit der Übergangsregierung auf. Die Gespräche waren im Juni in der sudanesischen Hauptstadt Khartum gescheitert. Laut Fall sollte es dort neue Verhandlungen im August geben.

Eine zweite, für Juli geplante Runde hatte die Übergangsregierung zunächst boykottiert, lenkte später aber unter internationaler Vermittlung ein. Inzwischen machen die Islamischen Gerichte den Abzug äthiopischer Truppen aus Somalia zur Vorbedingung neuer Gespräche. Sie werfen der Übergangsregierung vor, diese Truppen ins Land zu holen.

Die Ende der 90er-Jahre gebildeten so genannten Islamischen Gerichte haben inzwischen große Teile des Landes erobert und sich weitgehend gegen die von den USA unterstützten Kriegsherren durchgesetzt. Der Staat Somalia existiert seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 faktisch nicht mehr.

FILIPPO PROIETTI