: Ticketpreise in der falschen Spur
Nahverkehr Wer entscheidet, wie die Tarife für Bus und U-Bahn steigen: die Politik oder ein Preisindex? Die BVG möchte einen Automatismus, der Verkehrsverbund lehnt diesen ab
HANS-WERNER FRANZ, VBB-CHEF
VON CLAUDIUS PRÖSSER
Kurz vor der Ausfahrt in Richtung Ruhestand hat der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz, deutliche Kritik an der Fahrpreispolitik des Senats und der BVG geübt. Eine automatische Erhöhung der Ticketpreise nach einem Index, wie sie die Berliner Verkehrsbetriebe und ihr Aufsichtsratschef, Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), forderten, sei „fachlich nicht sinnvoll“, ja „völlig falsch“, so Franz in einem Interview mit der Berliner Zeitung.
Die 40 Verkehrsunternehmen im VBB müssen regelmäßig auf gestiegene Materialpreise und Löhne reagieren und neue Tarife festsetzen. Weil das oft mit sozialen Härten verbunden ist, sind Konflikte programmiert. Im Dezember hatte BVG-Finanzvorstand Kai Falk gefordert, die Tarife einmal im Jahr automatisch anzupassen – auf Basis eines Index, der alle relevanten Kostensteigerungen abbildet. Finanzsenator Nußbaum trägt das mit.
Er habe ja „nichts dagegen, dass die allgemeine Inflationsrate als Anhaltspunkt genommen wird“, so VBB-Chef Franz in dem Interview. Oberstes Ziel sei aber ein bezahlbarer Nahverkehr, und dazu müsse die Politik den Preisrahmen definieren. Wolle man etwa die Nachfrage ankurbeln, stünde dem eine automatische Preisanpassung „nach einem ausgedachten Index“ entgegen.
Bei der BVG reagiert man überrascht: Die Überlegungen zu einer Indexlösung habe der VBB und somit Franz mitgetragen, sagte Sprecherin Petra Reetz zur taz. Und um einen „ausgedachten“ Index gehe es schon gar nicht – sondern um Transparenz. Die Kunden sollten verstehen, wie Preissteigerungen zustande kommen. Eine Kopplung an die allgemeine Inflation ist laut Reetz nicht sinnvoll. Nur die relevanten Kosten müssten berücksichtigt werden – etwa Strom und Diesel, aber auch Stahl für Baumaßnahmen.
Rückhalt bekommt Franz unter anderem vom Fahrgastverband IGEB und den Grünen. Tarifpolitik sei immer auch Sozialpolitik, so IGEB-Vizechef Jens Wieseke zur taz, deshalb sei ein Automatismus falsch. Und ein Kostenindex spiegele etwa gar nicht wider, ob die Fahrgastzahlen steigen oder fallen.
Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünenfraktion, sagte, Fahrpreiserhöhungen müssten begründet werden, aber der Senat scheue diese „unpopulären Debatten“. Preisindizes lehnt er prinzipiell ab: „Die taugen dafür nicht, weil dann regelmäßig sachfremde Erwägungen in die Preisgestaltung einfließen.“ Es gebe etwa Erwägungen, die Preissteigerungen anderer Verkehrsverbünde einzubeziehen – das sei für die Fahrgäste in Berlin völlig irrelevant.