: Ein Krieg, drei Positionen
Protest in Freiburg: Libanesen und Israel-Freunde wütend, Friedensbewegte einsam
FREIBURG taz ■ Die Zeit der großen Proteste gegen den Krieg im Nahen Osten schien in Freiburg am Wochenende schon vorbei: Bei der Mahnwache des „Friedensforums“ zogen die in sanftem Blauweiß gehaltenen Friedenstauben-Transparente nie mehr als 20 bis 30 Menschen gleichzeitig an. Was die Friedensbewegten nicht schafften, war den Freiburger LibanesInnen vor eineinhalb Wochen mühelos gelungen – da zogen bei der bisher größten Freiburger Demo gegen diesen Krieg 800 LibanesInnen stundenlang durch die Stadt und sie setzten ihre Proteste auch an den folgenden Tagen fort.
Schon beim zweiten Mal kam es gleichzeitig zu einer Gegendemo: Rund 20 Mitglieder eines „Spontanen Freiburger Bündnisses gegen Israelfeindschaft“ zeigten mit Fahnen und Transparenten ihre „Solidarität mit Israel“. Ein paar Tage später organisierte das Bündnis, zu dem nach Auskunft eines Sprechers kein Israeli gehört, eine eigene Kundgebung mit rund 60 Menschen. Nicht alle dort standen hinter der Flugblatt-Forderung, sich in diesem Krieg „ohne Wenn und Aber auf Seiten des jüdischen Staates zu positionieren“. Einigkeit gab es aber in der scharfen Kritik am Verlauf der drei libanesischen Demos. Dort hatte es Sprechchöre „Kindermörder Israel, Frauenmörder Israel“ gegeben. Diese Parolen und die „zahllosen Bilder von zerfetzten Kinderleichen“ würden zur „Dämonisierung Israels“ benutzt, bilanzieren die jungen, studentischen SprecherInnen des Bündnisses, die anonym bleiben wollen, weil sie sich um ihre Sicherheit sorgen. An den libanesischen Demos hätten, so ihre Beobachtung, auch „zahlreiche Hisbollah-Anhänger“ teilgenommen.
Bei den LibanesInnen stoßen solche Vorwürfe auf Irritation. „Die behaupten, wir seien alle Terroristen“, kritisiert Fouad Abdallah, der 1990 aus dem Libanon nach Freiburg kam und die Demos mitorganisiert hat, weil „die Menschen endlich hinschauen sollen auf das, was passiert“. Wie andere, die mit ihm durch die Straßen zogen, hat er Angst um Verwandte und Freunde im Libanon. Da blieb zumindest während der Demos kein Raum für ausgewogene Analysen, aber für wütende Sprechchöre gegen Israel. Die stießen auch beim Freiburger Friedensforum nicht auf Zustimmung, obwohl man dort grundsätzlich gerne mit LibanesInnen zusammenarbeiten würde. Genauso wie mit Israelis. „Wir beziehen für keine Seite Position“, betont Virginia Edwards-Menz. Und doch zielt die Kritik klar in Richtung USA und Israel, auch an die deutsche Regierung: „Wir sehen die Israelis und ihre Probleme und die Verantwortung der Deutschen für ihre Geschichte. Aber das heißt nicht, dass man Waffen liefern oder das Vorgehen Israels befürworten muss.“
Dass in diesem Krieg alles schwierig und zwiespältig ist, bekommen die Friedensbewegten zu spüren: Bisher stießen zu ihren Treffen kaum neue Leute dazu, anders als beim Afghanistan- oder Irakkrieg. „Man kann leicht gegen Bush sein, aber nicht für die Hisbollah“, bringt Manfred Hanloser die verzwickte Situation auf den Punkt. Er hat schon bessere Zeiten für die Friedensbewegung erlebt – wie alle beim Friedensforum, wo niemand unter 50 ist. ANJA BOCHTLER