der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… ist mit seiner Geschichte und in seiner gegenwärtigen Verfassung sehr einfach zu verstehen. Dereinst, da ging es ihm schlecht, Polizisten waren hinter ihm her und Wissenschaftler und Nazis und selbst die braven Bürger. Aus diesem Elend wurde er befreit, und man mag diese Kräfte Fortschritt nennen oder wie auch immer. Seitdem ging es nur noch bergauf, nach vorne, das Licht am Ende des Tunnels ist nah, ganz nah.

Das ist rar in diesen Zeiten, aber die Geschichte der Homosexuellen hierzulande ist eine Erfolgsgeschichte. „Reste von Diskriminierung gibt es immer noch“, räumt der Tagesspiegel ein, aber „wir Schwule gehören dazu, uns kann niemand mehr wegdenken“, zitiert die Berliner Zeitung einen Teilnehmer der diesjährigen CSD-Parade. Als wichtigster Akt der Gleichstellung und höchste emanzipatorische Errungenschaft gilt die Homo-Ehe, selbst wenn sie noch nicht vollkommen ist. Und Klaus Wowereits Dienstjahre sind Beweis genug, dass die „andere sexuelle Orientierung“ (Behördendeutsch) doch nicht ansteckend ist.

Homo-Ehe und Wowereit, zwischen diesen beiden Polen bewegt sich das offiziell verlautbarte Homo-Glück. Den Lobgesang auf diesen Siegeszug beherrschen die Schwulen ebenso gut wie die Medien. Einmal pro Jahr – am CSD – und nur dann – ziehen beide Seiten Bilanz. Wieder ein paar Schritte weiter jubeln die Schwulen, und die Journalisten mimen den Gegenpart und erzählen von desolaten Coming-outs in der Provinz. So reiht sich ein Klischee ans andere, das ist das Pflichtprogramm jahrein, jahraus.

Abwechslung brachten Moskau und Warschau in diesem Jahr, die touristischen Abstecher zu den unglückseligen Männern und Frauen, denen unser Stand der Homo-Zivilisation noch fern ist. Transparente und schöne Worte erinnerten an deren Schicksal, und die Parade 2006 war deshalb „so politisch wie nie“, lobten sich die Veranstalter.

Die Welt des homosexuellen Mannes ist komfortabel eingerichtet und ganz einfach sortiert. Ein gewisser Automatismus wohnt allem inne, so als ließen sich die Erfolge nicht aufhalten – trotz Schröder und Merkel, trotz der Kirche und der polnischen Zwillinge. Homosexuelle werden verpartnert auf dem Standesamt, Gedenkorte finanziert der Staat, schwule Automechaniker bieten ihre Dienste an, die Berliner Stadtreinigung wirbt anlässlich des CSD auf regenbogenfarbenem Grund kess mit: „Nach der Fete fegt die Hete“, und aus den USA strömen die Touristen nach Berlin, denn allein im Prenzlauer Berg gibt es mehr Darkrooms als auf ihrem ganzen Kontinent zusammen.

So sieht das schwule Paradies aus. Sieht so das schwule Paradies aus? Oder beruht nicht alles nur auf einer großen Lüge? Ausgegeben von homosexuellen Propagandisten, die vorgeben, dass sie sich auskennen. Dass sie wüssten, wie Homosexuelle leben. Diese Sicherheit in Worten gefährdet den homosexuellen Mann, macht ihn träge und lässt ihn vergessen, dass er tatsächlich nicht ernst genommen wird, zu keiner Sekunde. Dass er nichts weiter ist als das Barometer für die liberale Gesinnung einer Gesellschaft, die sich ihrer Offenheit und ihrer Toleranz überhaupt nicht sicher ist.