Rice kündigt Wende an

Drei Eckpunkte sollen die Lösung bringen: eine Feuerpause, eine Stabilisierungstruppe und keine Waffen mehr an die Hisbollah

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Hat die gestern morgen beendete zweite Reise von US-Außenministerin Condoleezza Rice innerhalb einer Woche in die Kriegsregion tatsächlich eine neue Dynamik eingeleitet, hin zu einem, wenn nicht „sofortigen“, so doch wenigstens „baldigen Waffenstillstand“ zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon? Rice selber will die Welt dies glauben machen. „Bis Ende dieser Woche“ seien ein „Waffenstillstand und eine politische Lösung“ in Form einer Resolution des UN-Sicherheitsrates „möglich“, erklärte sie gestern in Tel Aviv. Die Resolution sieht einen Dreipunkteplan vor: eine „Feuerpause“, die Autorisierung für die vorübergehende Stationierung einer „internationalen Stabilisierungstruppe“ zur Unterstützung der libanesischen Armee im Südlibanon und ein Verbot von Waffenlieferungen an die Hisbollah.

Als konkreten Beleg für die Dynamik hin zu einem „baldigen Waffenstillstand“ galt vielen Beobachtern der Umstand, dass Israels Premierminister Ehmud Olmert Rice nach dem verheerenden Angriff israelischer Kampfflugzeuge auf das südlibanesische Dorf Kana eine 48-stündige Feuerpause zumindest der israelischen Luftwaffe zusagte. Umfang und Verlässlichkeit dieser Feuerpause, damit ihre militärische wie politische Relevanz, wurden allerdings bereits gestern von Israel wieder eingeschränkt und infrage gestellt.

Vereinzelte Luftangriffe auch nach Beginn der offiziell verkündeten Feuerpause wurden zwar nicht offiziell von der Regierung bestätigt, wohl aber von hochrangigen Luftwaffenoffizieren. Zudem „präzisierte“ die Armeeführung, die von Premier Olmert zugesagte Feuerpause gelte „nur für den Südlibanon“, nicht aber für „militärisch relevante“ Ziele im Osten des Landes. Zudem erklärte Verteidigungsminister Amir Perez gestern, noch während der Luftfeuerpause würden die israelischen Bodentruppen ihre „Offensive“ gegen die Hisbollah „ausweiten“.

Die „Feuerbeschränkung“ für die Luftwaffe nehme aber etwas von dem politischen Druck auf Israel und sei deswegen die richtige Entscheidung, meinte Justizminister Chaim Ramon. „Wenn der Krieg heute enden würde, wäre es ein Sieg für die Hisbollah […] und für den internationalen Terrorismus“, sagte Ramon. „Deswegen steht dieser Krieg nicht vor einem Ende, nicht heute und nicht morgen.“ Bereits letzte Woche hatte der Justizminister mit freimütigen Äußerungen für rote Köpfe nicht nur in Washington, sondern auch in Berlin gesorgt.

Das Ergebnis der Libanonkonferenz vom letzten Mittwoch, die sich wegen des Widerstands von Rice sowie der Außenminister Großbritanniens und Deutschlands nicht auf die Forderung aller anderen Teilnehmer nach einem „sofortigen Waffenstillstand“ einigen konnte, hatte der Minister zutreffend als ausdrückliche „Genehmigung“ zur Fortsetzung des Krieges interpretiert. Zudem erklärte Ramon letzte Woche, jeder Mensch, der jetzt noch im Südlibanon bleibe, sei ein Terrorist.

Es waren u. a. diese Äußerungen, die die Bush-Regierung noch vor der Tötung von mehr als 60 Zivilisten durch den israelischen Luftangriff auf Kana dazu bewog, den Forderungen nach einem Waffenstillstand zumindest rhetorisch entgegenzukommen. Hinzu kommt, dass im Pentagon die Zweifel an der Möglichkeit eines militärischen Erfolgs der israelischen Streitkräfte über die Hisbollah in der letzten Woche erheblich zugenommen haben. Hatte die israelische Regierung von der Bush-Regierung am 21. Juli grünes Licht für die Fortsetzung des Krieges bis maximal Anfang dieser Woche erbeten und erhalten, so erklärte Ministerpräsident Olmert am Samstag, man benötige bis zu 14 Tage für den militärischen Erfolg über die Hisbollah. Ob die mitspielen würde bei dem von Rice jetzt in Aussicht gestellten „baldigen Waffenstillstand“, ist völlig offen. Gestern jedenfalls schoss die Hisbollah auch nach Beginn der „Feuerbeschränkung“ für die israelische Luftwaffe weiterhin Raketen auf Israel.