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Archiv-Artikel

Gericht kippt Wohnsitzzwang

FLÜCHTLINGE (I) Eine kurdische Mutter und ihre drei Kinder dürfen in der Stadt Göttingen wohnen bleiben, obwohl der Landkreis sie zurück aufs Land drängt

Ein grotesk anmutender Rechtsstreit ist zumindest vorläufig zugunsten einer kurdischen Mutter entschieden worden. Die 33-Jährige und ihre drei Kinder dürfen im Stadtgebiet von Göttingen wohnen bleiben, entschied das örtliche Verwaltungsgericht per einstweiliger Anordnung (Az. 1 B 283/13). Eine Aufforderung des Landkreises Göttingen, wonach die Familie zurück ins Kreisgebiet zu ziehen hätte, erklärte das Gericht für rechtswidrig.

Die Frau lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland, seit 2008 im Kreis Göttingen. Das Aufenthaltsrecht hatte die Behörde an die Auflage geknüpft, ausschließlich im Landkreis einen Wohnsitz zu nehmen, nicht aber in der Stadt Göttingen.

Weil ihre Wohnung im Dorf Waake zu teuer wurde, beantragte die Frau im August vergangenen Jahres beim Sozialamt des Landkreises die Genehmigung, ins zwölf Kilometer entfernte Göttingen umzuziehen. Diese Erlaubnis erhielt sie, das Amt kam sogar für die Kosten des Umzugs auf. Zum 1. September 2013 zogen Mutter und Kinder in die günstigere Wohnung in der Stadt.

Drohung vom Amt

Am 23. September dann bekam die Kurdin ein Schreiben vom Kreis-Ordnungsamt: Sie habe gegen die „Wohnsitzauflage“ verstoßen. Unter Androhung von Ordnungswidrigkeitsverfahren und Bußgeld verlangte das Amt den Umzug aus der neuen Wohnung zurück ins Kreisgebiet, und das bis Ende Dezember. Dagegen klagte die Frau.

Erst im Verlauf des Verfahrens habe der Kreis die Anordnung begründet, sagt ihr Rechtsanwalt Sven Adam. Demnach sollte die Wohnsitzbeschränkung auch dazu dienen, Soziallasten zu verlagern. Dieses Argument zieht nicht, befand das Verwaltungsgericht: Der Landkreis Göttingen zahlt als sogenannte Optionskommune ohnehin alle Sozialleistungen, die in der Stadt und den übrigen Gemeinden entstehen. Und weil es nun nicht zum zweiten Umzug kommt, spart die öffentliche Hand sogar noch Geld.

Gegen den Gerichtsbeschluss kann der Landkreis innerhalb von zwei Wochen Beschwerde einlegen.  REIMAR PAUL