Während Marteria hoffnungsvoll durchstartet, ist WestBam an einem traurigen Ende angelangt

Die Riege an Unterstützern, die Marteria für sein Debütalbum aufbieten kann, ist wahrlich beeindruckend. Pierre Baigorry, Chef von Seeed und Chartstürmer als Peter Fox leiht nicht nur seine Stimme, sondern hat den Rapper auch bisher schon protegiert. Eißfeldt, als Jan Delay Deutschlands regierender Funkkönig und früher mal als ein Drittel von Die Beginner die größte Hoffnung des deutschen HipHop, ist auch dabei und hat Marteria früher mit auf Tour genommen. Marteria kann aber auch wirklich jede Hilfe gebrauchen, denn nun ist er eine zarte Hoffnung des DeutschHop, jenem in die annähernde Bedeutungslosigkeit abgestürzten Genre. Marteria ist in dieser Situation vielleicht nicht gerade die Komplettrettung, aber doch ein veritabler Lichtblick: Marten Laciny, in Rostock geboren, dann mal U17-Nationalspieler, Fotomodell für Hugo Boss und nun schon sieben Jahre in Berlin, reaktiviert auf „Mit Glück in die Zukunft“ den intelligenten Reim, ohne aber gleich wieder in die zahlreichen Fettnäpfchen zu treten, die der längst gescheiterte Studenten-Rap ausgelegt hat. Selbst die Songs, die sich hinter lauen Scherztiteln wie „Amys Weinhaus“, „Marteria Girl“ oder „Kate Moskau“ verstecken, umkurven leichtfüßig alle Klischeefallen. Marteria kann es sogar wagen, Didl-Tassen und Tupac im gleichen Reim einzusetzen. Die Kollegen mögen hoffen, durch Rap zu Ruhm, Reichtum und schnellem Sex zu kommen, Marteria erträumt sich lieber gleich ein Leben als Groupie einer reichen russischen Erbin. Ansonsten dürfen Männer hier auch mal weinen, ja sogar echt schwul werden. Und wenn sie sich fortpflanzen, dann wird es nicht notgedrungen rührselig. Wenn also Marteria in „Louis“ eine Botschaft an seinen Sohn schickt, dann wird einem erst klar, was für ein kitschiger Schmierklappen Sido doch ist. Deshalb muss Marteria auch nicht bellen, sondern schmiegt seine Reime so selbstverständlich an die Beats, wie man es hierzulande lange nicht mehr gehört hat. Dass Beats von The Krauts stammen, die schon Peter Fox produzierten, dass ist Teil der Unterstützung, die Marteria so bitter nötig hat. Geht schließlich darum, den deutschen Rap zu retten. Ein erster Schritt ist jedenfalls getan.

Ganz anders sieht es aus für WestBam. Die Frage, ob Techno nach Duisburg noch zu retten ist, stellt sich aus Pietätsgründen erst gar nicht. Die DJ-Legende sollte an dem tragischen Tag eigentlich auflegen, erfuhr am Flughafen von der Katastrophe und sagte ab. Es sollte, das hatte WestBam schon vorher verkündet, seine letzte Loveparade werden. Das wollte er feiern mit „A Love Story 89–10“: Der Rückblick auf das Großereignis ist fein säuberlich aufgeteilt auf drei CDs mit Loveparade-Klassikern, neuen WestBam-Tracks und sentimentalen Erinnerungen an die frühen, unschuldigen Jahre, als das Massenereignis noch eine Demo für Eingeweihte war. Die Unschuld war schon vor Duisburg lange dahin, das ist deutlich zu hören auf „A Love Story“. Alles andere konnte WestBam ja nicht wissen.

THOMAS WINKLER

■ Marteria: „Zum Glück in die Zukunft“ (Four Music/SonyBM), Record Release, 19. 8., Heimathafen

■ WestBam: „A Love Story 89–10“ (Bass Planet/Kontor)