: Zu Gast in der Retortenstadt
BIRMA Beim Besuch von Joachim Gauck werden die Probleme der Vergangenheit ausgespart. Der Blick wird in die Zukunft gerichtet
AUS NAYPYIDAW JUTTA LIETSCH
31 Gebäude mit breiten Auffahrten, hallenden Gängen, enormen Kronleuchtern und teils goldfarbenen Möbeln sowie einer Zufahrtsstraße, die so breit ist, dass auf ihr Flugzeuge landen könnten: Das Parlament von Birma kann sich sehen lassen.
Am Montag besucht Bundespräsident Joachim Gauck Birmas Retortenhauptstadt Naypyidaw. Und spätestens in dieser Kunstmetropole mit ihrem vom Volk abgeschotteten Parlamentskomplex muss ihm aufgefallen sein, welchen schweren Weg die Birmesen noch vor sich haben, wenn sie den Militärs die Macht entwinden wollen. Seit 1962 kontrollieren Generäle und Obristen das Land, auch heute noch hat die Armee sich ein Viertel der Sitze im Parlament gesichert.
Parlamentspräsident und Exgeneral Thura Shwe Mann erläutert die Pläne für die Verfassungsreform. Einige Abgeordnete sind da, darunter die Chefin der größten Oppositionspartei National League for Democracy (NLD), Aung San Suu Kyi. Zuvor sprach Gauck mit Staatschef Thein Sein im Präsidentenpalast. Beide Länder hätten seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen vor 60 Jahren immer ein gutes Verhältnis gepflegt, sagt Gauck. Er übergeht diplomatisch, dass sich die Bundesrepublik den Sanktionen gegen die Junta, die bis 2011 herrschte, angeschlossen hatte.
Auch sein Gastgeber bügelt die Vergangenheit glatt: Deutschland habe immer zu Birma gehalten, sogar „als in den letzten 20 Jahren bestimmte westliche Länder erheblichen Druck auf uns ausgeübt haben“.
Er sei gekommen, um zu „würdigen, was gegenwärtig hier geschieht“, erklärt Gauck. „Sie können in Zukunft auf Deutschland zählen, wenn sie den begonnenen Weg fortsetzen.“ Als Geste des guten Willens streicht die Bundesregierung Birma über 500 Millionen Euro Schulden.
Doch noch ist Birma ein Sorgenland: Seine Bevölkerung gehört zu der ärmsten der Welt, die Justiz ist korrupt, in manchen Regionen kämpfen ethnische Rebellen gegen die Armee. Politisch ist nicht klar, ob das Militär irgendwann bereit sein wird, seine Sperrminorität im Parlament aufzugeben – und ob Aung San Su Kyi bei den Wahlen 2015 im Fall eines Sieges ihrer Partei Präsidentin werden kann. Noch blockiert dies ein Verfassungsartikel, weil ihre Söhne britische Staatsbürger sind.
Am Nachmittag trifft sich Gauck schließlich mit ihr. Sie gehöre zu jenen Persönlichkeiten, die ein Vorbild für ihn seien: „weil sie ein sicheres Urteil hat, begründet auf Werten“, sagt er „und weil sie die Fähigkeit zum Kompromiss besitzt. Nach dem Gespräch sieht Gauck Anlass zur Hoffnung: Er habe nicht den Eindruck, dass das Land auf einem falschen Weg sei. Und Aung San Suu Kyi verkündet: Politische Reformen könnten, wenn sie „im Geist der Versöhnung“ erfolgen, nicht schnell genug gehen.