: Hinter Deutschland lange nichts
EUROPA Dank der deutschen Wirtschaft steigt das Wachstum in Europa. Doch im Rest der EU sind die Zahlen längst nicht so gut
BERLIN taz | Das Bruttoinlandsprodukt in der Euro-Zone ist, getragen vom Wachstum der deutschen Wirtschaft, im zweiten Quartal kräftig gestiegen. Die Wirtschaftsleistung der 16 Länder mit der Gemeinschaftswährung legte von April bis Juni um 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu, erklärte am Freitag die europäische Statistikbehörde Eurostat. Derselbe Wert gelte auch für die 27 EU-Staaten.
„Die Euro-Länder entwickeln sich“, sagt Ökonom Michael Bräuninger vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut, die vorgelegten Zahlen seien „besser als erwartet“. Denn trotz der großen Konsolidierungsprogramme und harten Sparmaßnahmen in vielen Ländern gebe es Wachstum in Europa.
Die Euro-Zone überholte damit in diesem Quartal die USA, wo das Wachstum Eurostat zufolge nach 0,9 Prozent im ersten Quartal auf 0,6 Prozent im zweiten zurückgegangen ist. In der Euro-Zone war die Wirtschaft im ersten Quartal nur um 0,2 Prozent gewachsen.
Trotz des Quartalszuwachses gehen europäische Ökonomen aber davon aus, dass die Wirtschaft im Euroraum nur schleppend aus der Krise kommt. In ihrem Monatsbericht nimmt die Europäische Zentralbank an, dass die Wirtschaftsleistung in den Euroländern um 1,1 Prozent zunehmen werde. Für das kommende Jahr senkten die Fachleute ihre Prognose sogar leicht von 1,5 auf 1,4 Prozent.
Während die Exportnation Deutschland einen Quartalszuwachs in Höhe von 2,2 Prozent vorweisen kann, halten nicht so stark vom Export profitierende Länder der Euro-Zone nicht mit. In Frankreich zog die Wirtschaft um 0,6 Prozent an, in Italien um 0,4 Prozent und Spaniens Wirtschaft schaffte gerade einmal ein Plus von 0,2 Prozent. „Deutschland Top, dahinter klafft eine Lücke“, schrieben Analysten der Commerzbank. Im hochverschuldeten Griechenland verschärfte sich die Rezession sogar: Dort brach das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 1,5 Prozent ein – nach einem Minus von 0,8 Prozent im Quartal zuvor.
Zwar profitiere Deutschland mehr als andere Länder vom starken Export, doch im Vergleich zu anderen Ländern sei die deutsche Wirtschaft auch „strukturell besser aufgestellt“, sagt Ökonom Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „Deutschland hat eine breite industrielle Prägung mit einem vielfältigen Güter-Sortiment, Frankreich zum Beispiel hat dagegen fast keinen Mittelstand.“ Zudem habe Deutschland schon vor der Wirtschaftskrise etwa mit den Arbeitsmarktreformen unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) einen notwendigen Strukturwandel eingeleitet. „Einmal eingefahrene Nachteile sind für andere Länder nur mühsam zu kompensieren“, sagt Hüther. THILO KNOTT