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Archiv-Artikel

Links ist alles, was links von der CDU ist

OBSKUR Rabbiner Daniel Alter redet vor der rechten Burschenschaft Gothia über Antisemitismus

Die Rechtskonser-vativen suchten nach Verständnis und Gemeinsamkeiten

Es klingt wie ein Witz mit böser Pointe: Spricht ein Rabbi vor einer Burschenschaft. Aber, um es gleich zu sagen: Die böse Pointe fand glücklicherweise nicht statt. Und ein Witz war es auch nicht, sondern von beiden Seiten durchaus ernst gemeint: Der Rabbiner Daniel Alter, im Jahr 2012 Opfer eines gewalttätigen antisemitischen Angriffs und mittlerweile der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde von Berlin, sprach am Mittwochabend im kleinen Saal der rechten Gothia-Burschenschaft in Zehlendorf.

Das Publikum bestand nahezu vollständig aus Burschenschaftlern, darunter immerhin drei Frauen sowie Michael Büge. Letzterer war Staatssekretär des Sozialsenators Mario Czaja (CDU). Nachdem er sich nicht wie angekündigt von der Burschenschaft distanziert hatte, musste Büge gehen. Seit Anfang Februar ist er Geschäftsführer der Bürgerhilfe Berlin, die in enger Verbindung zur Sozialverwaltung steht.

Doch worum ging es an diesem Abend? Daniel Alter versuchte in seinem Vortrag erstaunlich souverän das Judentum zu definieren und die Geschichte insbesondere der jüdischen Gemeinde zu erzählen. Die Rechtskonservativen im Publikum hingegen, allesamt angetreten in voller Monstranz inklusive orangefarbener, blauer und grüner Schirmmützen, gestriegelt, ausgestellt schneidig, suchten nach Verständnis und Gemeinsamkeiten. Vielleicht ging es tatsächlich um eine Handreichung. Um Identitäten im Nationalen, im Konservativen, im Religiösen.

Blutzoll und Linke

Probiert wurde das im Laufe des Abends – Alter trug frei vor, bevor es zu ausschweifenden Fragerunden kam – anhand einiger Stichwörter: der „Blutzoll“, den das jüdische Volk dem „Vaterland“ im Ersten Weltkrieg „entrichtete“; das gemeinsame Abgrenzen von den Muslimen (der gewalttätige Angriff auf Alter damals kam auch aus dieser Ecke); und ganz besonders: von den „Linken“, zu denen grob gesagt schlichtweg alles links der CDU gezählt wurde.

Besonders bei den Linken, so der einstimmige Befund, sei der Antisemitismus sehr stark ausgeprägt. Erstaunlich genug, dass Alter selbst noch zu der Grundlage fand, die auch das Linke im Allgemeinen mitdefiniert: nämlich die Abweisung einer nationalen Identität. Dieser, Sohn von Holocaustüberlebenden und somit in zweiter Linie traumatisiert („Second Generation Syndrome“) schilderte in anschaulichen Anekdoten sein gebrochenes Verhältnis zu der Nation, in die er hineingeboren ist. Das Jüdische verortete er dagegen im „Spirituellen“ und in den Traditionen, zu denen auch die Beschneidung gehört: „Uns die Beschneidung abzunehmen, wäre so, wie ihnen Zigarren und Bier wegzunehmen“, so sein wagemutiger Vergleich.

Das Konservative verbindet

Klar wurde im Laufe dieser äußerst obskuren Veranstaltung: Die Rechten unterscheiden sich untereinander in vielerlei Hinsicht; Antisemitismus scheint keine Grundvoraussetzung zu sein. Hier ist es das Konservative, das verbindet: die Angst vor Zu- und Unterwanderung (im Falle der jüdischen Gemeinde durch russische Immigranten) und Auflösung durch Standesmissbrauch und den nachfolgenden Generationen, die gar nicht qua Aufklärung, sondern schlichtweg durch Interesselosigkeit die „reine Lehre“ ignorieren und alles weiter säkularisieren. Sowie eben die Abgrenzung nach „links“ – was auch immer damit gemeint ist. RENÉ HAMANN