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Archiv-Artikel

„Deep Fritz macht Fortschritte“

Es dürfte eine der letzten Chancen sein, dass ein Schachprofi einen Computer bezwingt: Wladimir Kramnik tritt im November gegen das Schachprogramm Deep Fritz an. Zuvor findet aber das WM-Duell gegen den Bulgaren Wesselin Topalow statt

INTERVIEW HARTMUT METZ

Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik hat seine Krise überwunden. Der von einer rheumatischen Arthritis geplagte 31-Jährige siegte am Sonntag zum siebten Mal bei seinem Lieblingsturnier in Dortmund, das zu den vier wichtigsten der Welt zählt. Nun steht das WM-Wiedervereinigungsmatch (21. September bis 13. Oktober) gegen den anderen Weltmeister aus Bulgarien, Wesselin Topalow, an. Vom 25. November bis 5. Dezember misst sich Kramnik zudem in Bonn mit dem Schachprogramm Deep Fritz. Sollte der Russe das Duell über sechs Partien gewinnen, verdoppelt sich seine Antrittsgage auf eine Million Dollar.

taz: Herr Kramnik, haben Sie in Dortmund Ihre alte Form wieder gefunden und die rheumatische Arthritis überwunden?

Wladimir Kramnik: Ich bin glücklich. Ich muss deutlich weniger Medikamente schlucken als vorher und fühle mich nicht mehr krank. Ich schwimme jeden Tag ein, zwei Kilometer. Außerdem mache ich Dehn- und Yogaübungen. Die gute Form will ich bis zu den schweren Zweikämpfen gegen Wesselin Topalow und die Maschine noch weiter steigern.

Der aggressive Stil Ihres Gegners Topalow erinnert an den der Legende Garri Kasparow, den Sie 2000 ungeschlagen entthronten. Ist Ihr trockener Spielstil genau der richtige, um Angreifer auszubremsen?

Momentan spricht meine Bilanz gegen Topalow mit vier Siegen mehr als eindeutig für mich. Erstaunlicherweise schlug ich ihn dabei meist in seiner Domäne, nach einem taktischen Schlagabtausch. Ich wüsste also nicht, warum ich Topalows Stil fürchten sollte.

Wie bewerten Sie den Spielstil von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der heute Ihr Millionenduell gegen das Schachprogramm Deep Fritz im November ankündigte und dazu beitrug, dass es von einem Essener Unternehmen gesponsert wird?

Steinbrück hat mich in unserer Show-Partie vor 17 Monaten wirklich überrascht. Ich erwartete einen der üblichen Hobbyspieler aus Promi-Kreisen. Doch er zeigte ansprechendes Niveau auf Klubstärke. Steinbrück beging nur hie und da kleine Ungenauigkeiten, die ich nutzte. Das hat mir gefallen, dass ein wichtiger Förderer des Schachs so engagiert bei der Sache ist. Sein Spiel zeigte mir: Er hat sich schon häufig damit beschäftigt und liebt deswegen Schach.

An der damaligen Stätte, in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, wartet ab 25. November mit Deep Fritz ein härterer Widersacher.

Deep Fritz hat seit unserem 4:4 in Bahrain 2002 weitere gewaltige Fortschritte gemacht. Dennoch versuche ich die Ehre der Menschheit zu retten. Es dürfte eine der letzten Chancen sein, dass ein Profi ein Programm bezwingt. Vielleicht schon 2010 wird es damit vorbei sein.

Welche Hauptunterschiede zwischen elektronischem und menschlichem Denken sehen Sie?

Die Algorithmen unterscheiden sich: Der Computer berechnet alles von A bis Z. Menschen dagegen haben eine Suchmaschine, die die zwei, drei besten Züge ins Auge fasst. 1,5 Millionen Züge sollen es pro Sekunde bei Deep Fritz sein. Das verspricht lückenlose Ergebnisse. Den Mensch zeichnet hingegen das Gefühl für die richtigen Züge aus. In manchen Stellungen nutzt alle Rechengewalt nichts, weil die Pläne weit hinter dem Horizont verschwinden. Dank des Ausschlussverfahrens blickt der Mensch jedoch zumindest gelegentlich hinter den Horizont

Es gibt Leute, die behaupten, Ihr Match im kalmückischen Elista gegen Topalow sei die ideale Vorbereitung auf das Computerduell.

Wenn ich es recht verstehe, worauf Sie hinauswollen: In Turnieren wie Zweikämpfen benötigen wir zuverlässige Kontrollen, um Computerunterstützung auszuschließen. Bei den Weltmeisterschaften mit Kasparow und Leko 2004 setzten wir einen Standard, um diese Art Doping zu verhindern. Die Gefahr vergrößert sich von Tag zu Tag, weil die Programme übermächtig werden. Die Kontrollen sind nicht allzu aufwändig. Sie entziehen Klatsch und Tratsch den Nährboden. Handys dürfen mittlerweile nicht mehr mit ans Brett genommen werden: Man verliert, wenn es klingelt. Ich hoffe, dass es künftig bei allen Weltmeisterschaften Kontrollen gibt.