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Archiv-Artikel

Tanztheater mit Breakdance-Kick

„Street live B75-06“ heißt das neueste Stück des Bremer tanzwerks. Am 6. September ist Premiere im Kulturzentrum Schlachthof – die taz hat schon mal reingeschnuppert

„Rumms!“ Mia knallt ihren Einkaufswagen gegen einen herumstehenden Container. Sie ist sauer – man kann nicht in Ruhe shoppen in diesen Konsumtempeln, ohne gleich des Diebstahls verdächtigt zu werden. „Rumms!“ Noch einmal lässt sie ihren Frust raus. Der Container steht mitten im Proberaum des Theaters am Goetheplatz. Mia heißt im richtigen Leben Maya. Und probt als eine der 20 jugendlichen DarstellerInnen für das Tanzstück „Street live B75-06“.

„Fußball goes Hip-Hop“ lautet das Motto des neuen Jugend-Tanztheater-Projekts des Bremer tanzwerk. Das Stück erzählt eine Geschichte über Freundschaft und Eifersucht. Mia gehört zu einer Gruppe junger Vorstadtkicker. Als ihr Trikotsponsor direkt vor einem Turnier abspringt, entschließen sich die Kids, nachts bei einem Sportartikelhersteller einzusteigen. Aber ein Eifersuchtsdrama und ein böser Verrat gefährden den Plan. „Die Story ist bewusst einfach gehalten und dient eher als Aufhänger für künstlerische Elemente aus Breakdance, Rap-Musik und Fußball“, erzählt Autor und Regisseur Thorsten Wilrodt.

Asslan steht auf dem zwei Meter hohen Container. Gerade setzt er zu einem Headspin an, da unterbricht ihn eine Stimme aus seinem Rucksack. „Hallo – sie haben Post.“ „Scheiße, mein Handy“, ruft er und springt vom Container. Mal wieder eine Unterbrechung. Choreograph Arton Veliu, mehrfacher Weltmeister im Breakdance, zeigt den TänzerInnen ihre Schritte: „Ich glaube, an der Choreografie ändern wir noch was.“ Es wird viel improvisiert. „Das Ganze ist ein dynamischer Prozess, es gibt nur ein grobes Gerüst, das bei den Proben spontan ausgefüllt wird“, sagt Wilrodt. Die Choreografien sehen schon recht professionell aus. Auch wenn man meint, vieles schon irgendwo gesehen zu haben – die gängigen Hip-Hop und Breakdance-Schritte eben. Innovativ und vielversprechend sind hingegen die Tanzparts mit Ball – auch wenn der manchmal noch verspringt.

Die Musiker Björn Jentsch und Michael Krummheuer sitzen hinter Schlagzeug und Keybord und proben den nächsten Song. Den haben sie wie alle anderen selbst geschrieben: Hip-Hop mit Jazz-Elementen fernab der üblichen Mainstream Rapbeats. Den Darstellern gefällt’s. „Musik und Texte sind cool“, findet Prinzo, der den lässigen Toni spielt.

„Und noch einmal von vorn“, unterbricht Regisseur Wilrodt das bunte Treiben. Wiederholt werden muss häufig, die Texte sitzen noch nicht richtig. Viele der Jugendlichen stehen zum ersten Mal auf der Theaterbühne. Wilrodt scheint nie der Geduldfaden zu reißen. „Wir wussten von Anfang an, dass es schwierig wird, Breaker, Schauspieler und Kicker zusammenzubringen. Das ist eine riesige Integrationsleistung“, lobt er stolz.

Für tanzwerk-Leiter Rolf Hammes geht mit dem Projekt ein Traum in Erfüllung. Durch den 90.000-Euro-Etat, zum größten Teil – wegen der Teilnahme von Menschen mit Handicap – von der Aktion Mensch finanziert, habe man Bedingungen wie an einem richtigen Theater. Mit professionellen Leuten „von der Regie bis zur Bühnenausstatterin.“ Dass ein solches Projekt gerade jetzt möglich werde, sei kein Zufall. „Tanz als integrativer Ansatz in der Sozialarbeit erfährt zur Zeit einen Boom“, sagt er. Das Tanzprojekt sei jedoch keine klassische Sozialarbeit. „Zunächst mal machen wir hier ja Kunst.“ Aber durch die gemeinsame künstlerische Arbeit „entstehen natürlich auch Lernfelder jenseits des künstlerischen Aspekts“, ist Hammes sicher. Gleichzeitig sei das Projekt auch eine große Herausforderung. „Eine Integration musste nicht nur bei den Kids, die alle aus unterschiedlichen Lebenswelten kommen, stattfinden, sondern auch bei uns in den leitenden Funktionen“, meint er. Delf Rothe