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Archiv-Artikel

Ein Lob den Holzchips

ENERGIE Machen Konzerne in Afrika Geschäfte, reagiert die Öffentlichkeit häufig reflexhaft: Das muss böse sein! Ein Fehler, wie der Fall Liberia zeigt

Roger Peltzer

■ ist seit 25 Jahren beruflich mit Investitionsvorhaben in Subsahara-Afrika befasst. Zudem war er mehrere Jahre in der Bundesarbeitsgemeinschaft Nord-Süd von Bündnis 90/Die Grünen.

Wenn es um Exporte eines armen Landes in Afrika geht und dabei ein großer Konzern wie Vattenfall involviert ist, dann hat man schnell alle Ingredienzen für einen vermeintlichen Skandal zusammen. Auch die taz sprach kürzlich von „schmutzigem Holz“ (taz vom 31. 7.) und bezeichnete in dem Zusammenhang einen liberianischen Bauern als „Ökosklaven“.

Worum ging es? Liberia war vor dem Bürgerkrieg der größte Exporteur von Naturkautschuk in Afrika. Mittlerweile ist der Großteil der Kautschukbäume überaltert. Das hat die kanadische Firma Buchanan auf die Idee gebracht, die alten Kautschukbäume zu Holzchips zu verarbeiten und diese zunächst nach Europa zu exportieren. Zeitversetzt soll ein Holzkraftwerk in Liberia mit einer Leistung von 36 Megawatt errichtet werden. Zudem bietet Buchanan bäuerlichen Betrieben an, die Wiederanpflanzung für sie vorzunehmen und die nachwachsenden Bäume bis zur Produktionsreife zu pflegen. Dadurch entstehen den Bauern keine Kosten, im Gegenzug erwartet Buchanan später eine Beteiligung von 25 Prozent am Erlös des verkauften Rohkautschuks. Die Kanadier sind zudem mit Vattenfall handelseinig geworden: Vattenfall wird seine Holzkraftwerke in Europa in Zukunft u. a. mit Holzchips aus Liberia befeuern.

Wo bitte liegt das Problem?

Was ist also skandalös daran? Es wird kein Quadratmeter Regenwald abgeholzt. Ebenso werden keinerlei Flächen der Nahrungsmittelversorgung entzogen. Die Entfernung der Bäume mit schwerem Gerät ist vielmehr die eindeutig ökologischere Lösung als die Brandrodung, die die Bauern mit Sicherheit früher oder später vornehmen würden. Buchanan und Vattenfall helfen Liberia zudem, eine der wertvollsten natürlichen Ressourcen des Landes, die Kautschukpflanzungen, wieder in Wert zu setzen. Und nicht zuletzt ist es für die Bauern ein gutes Geschäft. Ohne einen Pfennig zu investieren, werden sie in etwa sechs Jahren Besitzer von Kautschukplantagen sein, die zu heutigen Weltmarktpreisen etwa 1.000 bis 1.500 Euro netto pro Hektar abwerfen. Kautschuk ist für Bauern in Afrika eines der attraktivsten landwirtschaftlichen Produkte. Die Erlöse liegen um ein Vielfaches über dem, was mit dem Anbau von Sorghum, Mais, Kaffee oder zum Beispiel auch Baumwolle erzielt werden kann. Vieles spricht dafür, dass die Preise auch in den nächsten Jahren attraktiv bleiben. Liberia verfügt zudem über genügend Flächen, um neben Kautschuk auch Grundnahrungsmittel für den eigenen Bedarf anzubauen.

Holzchips gehen in Ordnung

Wo also ist das Problem? Dass Vattenfall so CO2-Zertifikate erwirbt? Die Ökobilanz der Holzchips aus Kautschukbäumen ist eindeutig positiv. Werden die Bauern über den Tisch gezogen? Wo in ganz Afrika kann ein Bauer einen Landwirtschaftskredit mit einer Laufzeit von zehn Jahren erhalten? Zudem ist die Gewinnbeteiligung gegenüber der Kreditgewahrung eine für den Bauer vorteilhaftere Lösung. Wenn die Pflanzung nicht erfolgreich ist, zerstört wird oder die Weltmarktpreise sinken, bleibt der Bauer nicht auf seinem Kredit sitzen, der Konzern ist voll mit im Risiko.

Buchanan hat bisher mehrere Millionen US-Dollar investiert, um die Infrastruktur für den Holzexport auf die Beine zu stellen. Für das Kraftwerk wird weiteres Eigenkapital erforderlich. Natürlich will Buchanan mit diesen Investitionen langfristig auch Gewinne erzielen. Wer hat denn Mut, solche Beträge in ein Land zu investieren, das immer noch weitgehend am Boden liegt und in dem überhaupt nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Bürgerkrieg wieder aufflammt?

Transparency International moniert, dass der Bau des Kraftwerks hätte ausgeschrieben werden müssen. Nur, was macht ein Land, das mit einem überalterten Ölkraftwerk eine völlig desolate Energieinfrastruktur besitzt und wo die Geber sich bis heute nicht über die Finanzierung eines Wasserkraftwerkes einigen konnten. Letzteres braucht mindestens zehn Jahre, bis es in Betrieb genommen werden kann. Buchanan baut für Liberia auf eigenes Risiko ein Holzkraftwerk, das die Kilowattstunde zu 18,5 Cents liefern wird. Das ist teurer als Strom aus einem Wasserkraftwerk, aber weniger als die Hälfte dessen, was der Strom aus dem Ölkraftwerk kostet. Und man hört auch, dass die Regierung Liberias hart über den Stromabnahmepreis für das Holzkraftwerk verhandelt hat. Man sollte afrikanischen Regierungen und in dem Fall Ellen Johnson-Sirleaf, der Präsidentin Liberias, nicht einfach unterstellen, sie würden ihre Interessen nicht vertreten können.

Wenn Afrika exportiert

Auch die kritische Berliner Öffentlichkeit dürfte Vattenfall dazu gebracht haben, sich in Liberia korrekt zu benehmen

Sobald es um großflächige Investitionen in die Exportlandwirtschaft Afrikas geht, reagiert die kritische Öffentlichkeit in Deutschland gemäß dem pawlowschen Reflex: Dabei kann es sich um Teufelswerk zulasten der Ärmsten dieses Kontinent handeln.

In der Tat gibt es Landwirtschaftsprojekte in Afrika, die höchst problematisch sind. Dazu gehört die großflächige Anpflanzung der Jatropha-Pflanze, die noch viele Jahre Züchtung vor sich hat, bevor sie gegebenenfalls erfolgreich angebaut werden kann, ebenso wie die Anlage von Zuckerrohrplantagen in Naturparks oder wertvollen Feuchtgebieten. Aber Projekt ist nicht gleich Projekt. Afrika muss seine Landwirtschaft modernisieren, wenn es nicht ewig am Tropf der Geber hängen und Objekt der Mildtätigkeit bleiben will. Insofern sollten die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen eines jeden Projekts für sich sorgfältig und unvoreingenommen geprüft werden.

Mehr Sorgfalt und Fairness in der Beurteilung von Investitionsvorhaben in Afrika empfiehlt sich auch aus einem anderen Grund. Wenn sich dort nicht kanadische und europäische Unternehmen in den liberischen Kautschukpflanzungen engagieren, werden es asiatische Investoren tun. Und die nehmen es bis heute mit Öko- und Sozialstandards nicht so genau. Man kann der Braunkohlepolitik Vattenfalls sehr kritisch gegenüberstehen und trotzdem anerkennen, dass das Unternehmen in Liberia sehr genau auf die Einhaltung genannter Standards achtet. Dazu zwingt sie nicht zuletzt die kritische Berliner Öffentlichkeit. Und genau diese Konstellation sollte als große Chance für Liberia begriffen werden. ROGER PELTZER