: Unklare Resolution
AUS GENF ANDREAS ZUMACH
Wie lange wird der Waffenstillstand halten, der gestern morgen um 7 Uhr in Kraft getreten ist? Das wird ganz wesentlich davon abhängen, wie schnell die in der UNO-Resolution 1701 vorgesehene Aufstockung der seit 1978 im Libanon stationierten UNO-Truppe Unifil von derzeit 2.000 auf rund 15.000 Soldaten erfolgt. Im Idealfall hätte UNO-Generalsekretär Kofi Annan bereits unmittelbar nach Verabschiedung der Resolution in der Nacht zum letzten Samstag 13.000 Soldaten einer ständigen UNO-Truppe in Richtung Libanon in Marsch gesetzt.
Die Stationierung dieser Soldaten sowie von 15.000 Angehörigen der libanesischen Armee und parallel dazu der Abzug der israelischen Streitkräfte hätten – wie in der Resolution vorgesehen – mit dem Eintreten des Waffenstillstandes gestern morgen um 7 Uhr beginnen können. Doch eine ständige UNO-Truppe existiert nicht. Bis heute waren die 191 Mitgliedsstaaten nicht bereit, dieses Handlungsinstrument zu schaffen. Deswegen muss die New Yorker UNO-Zentrale die benötigten 13.000 Soldaten sowie ihre Bewaffnung, Ausrüstung und Transportmittel mühsam in den Hauptstädten der Mitgliedsländer erbetteln. Bis Montag lagen der zuständigen Abteilung für Friedensoperationen (DPKO) erst zwei einigermassen verbindliche und konkrete Angebote vor: Frankreich will bis zu 2.000 Soldaten entsenden, Italien 2.000 bis 3.000. Daneben gibt es grundsätzliche, aber bislang noch nicht mit Zahlen konkretisierte Beteiligungszusagen aus der Gruppe der „westlichen“ UNO- Staaten Griechenland, Schweden,Norwegen, Kanada und Neuseeland, sowie aus Ägypten, Indonesien, Malaysia und der Türkei. Eine Beteiligung von Truppen aus den vier letztgenannten Staaten würde – so hoffen zumindest die Planer im DPKO – die Chancen auf eine Kooperation der Hisbollah mit der Unifil verbessern.
Die potenziell zu einer Entsendung von Soldaten bereiten Staaten wollen vor einer endgültigen Zusage Fragen zu den Befugnisse der Unifil geklärt wissen, die auch in der innerdeutschen Debatte um eine eventuelle Beteiligung der Bundeswehr eine Rolle spielen. Die wichtigste Frage: Was soll und darf die Unifil tun – in eigener Verantwortung oder nur auf Unterstützungsanforderung durch die libanesische Armee – zur Entwaffnung der Hisbollah?
Die UNO-Resolution gibt auf diese Frage keine eindeutige Antwort, wie die widersprüchlichen Interpretationen durch die Regierungen in Paris, Jerusalem und Beirut zeigen. Laut Resolution soll zwischen der israelisch-libanesischen Grenze „eine Zone errichtet werden, in der sich außer den libanesischen und den Unifil-Truppen keine bewaffneten Verbände aufhalten oder Waffen und sonstige Anlagen vorhanden sein dürfen“.
Zudem soll die Regierung in Beirut „mit Unterstützung der Unifil“ dafür sorgen, dass künftig ohne ihre Zustimmung „keine Waffen oder anderes Kriegsmaterial mehr in den Libanon importiert werden“. Eine „Entwaffnung“ der Hisbollah ordnete der Sicherheitsrat jedoch nicht ausdrücklich an. Allerdings fordert er Libanon und Israel zu einer dauerhaften Konfliktlösung auf, die unter anderem „basieren“ soll auf der „Umsetzung“ der beiden früheren Rats-Resolutionen 1599 und 1680. Darin verlangte der Rat die „Entwaffnung und Auflösung aller libanesischen und nichtlibanesischen Milizen“.
Eine weitere ungeklärte Frage sind die Befugnisse der Unifil, um künftig ein Vordringen israelischer Soldaten auf das Territorium Libanons zu verhindern. Diese hochpolitischen Fragen werden wahrscheinlich in den Verhandlungen zwischen der UNO-Zentrale und einzelnen Mitgliedsländern nicht geklärt werden können, sondern nur durch eine Klarstellung seitens des Sicherheitsrates – möglicherweise durch eine zweite Resolution.