: Es geht um Geld und um gute Medizin
GESUNDHEIT Die „Medizin-Strategie“ soll ein Viertel der Finanzierungslücke schließen helfen. Für die Verschmelzung der Kinderkliniken gibt es gute Argumente, sagt Martin Claßen, Kinder-Chefarzt am LDW
„Eckpunkte der Medizin-Strategie“ steht über dem Papier, „streng vertraulich“ quer darüber. Auf gut 100 Power-Point-Seiten haben Gutachter einer Münchener „WMC Healthcare“, so sagt Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse (parteilos), ihren Zwischenbericht vor einer Woche dem Aufsichtsrat der Klinik-Holding „Gesundheit Nord“ präsentiert. Mehr als zwei Millionen Euro soll es am Ende kosten.
Ein großer Teil der Informationen dieses Papiers betrifft Ergebnisse eines normalen Controllings. Die Kosten der Geno-Kliniken sind „in den letzten drei Jahren dreimal so stark gestiegen wie die Erlöse“, heißt es da. Derweil gibt es aber „keine Fachabteilung, die aufgrund zu geringer Fallzahlen“ unwirtschaftlich sei. Der Begriff „wirtschaftlich“ umfasst nicht anteilig Investitionen. Inklusive Investitionen ergibt sich ein Defizit von mindestens 20 Millionen Euro jedes Jahr – trotz staatlicher Hilfen.
Eine andere Erkenntnis der Controller: In den letzten Jahren ist die Zahl der „Elektivpatienten“ in den kommunalen Kliniken gesunken, das sind Patienten, die von Ärzten in die Klinik eingewiesen werden. Das weist auf einen Vertrauensschwund hin. Ein geringes Wachstum der Patientenzahlen gab es nur bei den „Notfallpatienten“.
Was also tun? Die „Medizin-Strategie“ besteht weitgehend aus Vorschlägen, welche Fachbereiche zwischen den vier Häusern der Geno verlagert werden sollten. Fünf Millionen der 20-Millionen-Euro-Lücke könnten damit erwirtschaftet werden, schreiben die Gutachter. Zum Teil sind solche Verlagerungen medizinisch begründet, zum Teil auch nur mit den Raum-Kapazitäten. Dass die Dermatologie vom Klinikum Mitte (KBM) an das Klinikum Bremen-Ost wandern soll, dient, so das Gutachten, nur der „Abmilderung des Kapazitätsengpasses“ am KBM. Dort entsteht gerade ein großer Neubau, der vor den Überlegungen zur „Medizin-Strategie“ geplant wurde.
Zum Beispiel soll dort die „Neonatologie“, also die Behandlung von Frühgeborenen, nicht neu eröffnet werden nach der Schließung infolge des Keim-Skandals. Stattdessen sollen die zwei Stationen der Kinderklinik vom LDW zum KBM umziehen. Keine neue Idee, mehrfach ist das in den vergangenen Jahren schon vorgeschlagen worden. „Wir haben uns immer dagegen gewehrt“, sagt Kinder-Chefarzt Martin Claßen vom LDW. Diesmal hat er an Beratungen mitgewirkt. Kinder verbleiben heute im Durchschnitt drei Tage in der Klinik, da seien etwas längere Besuchswege zumutbar, auch für Patienten aus Niedersachsen. Für die Fusion sprechen medizinische Argumente: In der Kinderheilkunde werden Fachleute für Nieren, Lunge, Darm und so weiter benötigt. Bei einer Kinderklinik mit gut zwei Dutzend Betten inklusive der „Tagesklinik“ können nicht alle „Fachleute“ vor Ort sein. Bei einer größeren Kinderklinik an einem zentralen Ort wäre mehr Kompetenz vor Ort. Die Nähe zur Geburtshilfe sei wünschenswert, sagt der Kinder-Chefarzt, aber nicht so notwendig. Wenn die Raumkapazitäten vorgegeben sind, kann man eine Fachrichtung nur verschieben, wenn eine andere zurückgeschoben wird. Das sind die Eckpfeiler der „Medizin-Strategie“.
Auf das Stichwort „Einsparungen“ reagiert der Chefarzt vorsichtig. Ihm gehe es um die Qualität der Versorgung, sagt er, die verbessert werden sollte. Natürlich könnte hier und da ein Bereitschaftsdienst gespart werden, wenn es nur noch eine Kinderklinik gebe. KAWE