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Archiv-Artikel

Kritisierte Befragung von Schülern geht weiter

OBERSCHULEN Eltern fordern Ende der Befragung von Neuntklässlern. Senat gibt trotzdem grünes Licht

Im letzten Schuljahr nahmen 2.700 SchülerInnen an der anonymen Befragung teil

„Viele Menschen haben als Jugendliche absichtlich jemanden verletzt oder verprügelt. Hast Du jemanden mit einer Waffe … absichtlich verletzt?“ Suggestivfragen wie diese in einem Fragebogen an Neuntklässler regen den Landeselternausschuss (LEA) auf. Noch dazu sollen die Schülerinnen detailliert erklären, in welcher Form Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen, Gewalt im Elternhaus oder Drogenkonsum bestehen. Auftraggeber ist die Landeskommission gegen Gewalt, der unter anderem die drei Senatsverwaltungen für Inneres, Bildung und Stadtentwicklung angehören. Mit der Schülerstudie wolle man „Erkenntnisse jenseits der Polizeistatistik gewinnen“, erklärte Dirk Baier, Projektleiter der Berliner Studie am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN).

Nun fordert der LEA die Landeskommission gegen Gewalt auf, „die Dunkelfeldbefragung sofort zu stoppen beziehungsweise die anstehende Weiterführung nicht zu veranlassen“. Im letzten Schuljahr nahmen bereits 2.700 SchülerInnen an der anonymen Befragung teil. Auch damals ärgerten sich Eltern des Leibniz-Gymnasiums über die Art und Weise der Befragung. Auch der LEA hatte seinen Unmut über die Studie geäußert, die teilweise ohne Einwilligung der Eltern durchgeführt wurde (taz berichtete).

Eltern und LEA fürchten, dass es durch die detaillierte Befragung zu einer „Retraumatisierung“ der von Gewalttaten betroffenen Jugendlichen kommen könnte. Das Problem der „Retraumatisierung“ trug LEA-Vorsitzender Günther Peiritsch kürzlich in einer Sitzung mit der Landeskommission für Gewalt vor. Ihm sei daraufhin versichert worden, die Telefonnummer der Telefonseelsorge vorsorglich an die Tafel zu schreiben. Auch der Ethikunterricht könne über solche Themen aufklären.

Der LEA bemängelt zudem den fragwürdigen Datenschutz der Studie. Die SchülerInnen sollten ihre Klassenbuchnummer eintragen. Nach der Klage einer Mutter wurde ihr bestätigt, dass sämtliche Fragebögen der Klasse ihres Kindes vernichtet wurden.

Doch trotz der Proteste der Eltern wird die Studie im Oktober fortgeführt, weitere 2.500 Schüler sollen befragt werden. Die Sprecherin der Landeskommission gegen Gewalt, Tatjana Pohl, sagte der taz, „dass in etwa der Hälfte der Schulen die Befragung fortgesetzt“ wird. Immerhin könnte es sein, dass einige der besonders kritisierten Fragen rausfallen. Ob der 38-seitige Fragebogen so umfangreich bleibt, sei noch unklar, erklärte Projektleiter Baier. „Es kann sein, dass einige Fragekomplexe aus der Studie genommen werden.“

EBRU TAȘDEMIR