: Ihr Name ist Hase
DOPING Keiner will es gewesen sein: Die Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle wurde positiv getestet und gibt ihrem Energieriegel die Schuld. Und die FunktionärInnen des Deutschen Olympischen Sportbundes baden sich komplett in Unschuld
AUS SOTSCHI ANDREAS RÜTTENAUER
„Wir sprechen hier nicht von Designerdrogen oder von Epo.“ Als Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes und Chef de Mission der deutschen Teams, in Sotschi das sagte, hatte er wohl das Gefühl, dass der Dopingfall der Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle größer gemacht wird, als er ist. „Wir sprechen hier nicht von Heroin“, sagte er, als er nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen gefragt wurde, die zu Hausdurchsuchungen in Sachenbacher-Stehles Wohnung und am Bundesstützpukt der Biathleten in Ruhpolding geführt haben. „Wir sprechen von Nahrung, die jeder ganz legal kaufen kann“, meinte er und verwies die sattsam bekannte Sprachregelung des DOSB in Sachen Nahrungsergänzungsmitteln. „Wir warnen die Sportler immer wieder vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln“, sagte Vesper am Samstag auf der Bilanzpressekonferenz des deutschen Teams in Sotschi.
Nachdem Sachenbacher-Stehle am Freitag ihren positiven Dopingbefund selbst bestätigt hatte und sich in einer Stellungnahme völlig ratlos gab, wie dieses auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur stehende Stimulanzmittel Methylhexanamin in ihren Körper gelangen konnte, stand ein Wort im Zentrum aller Diskussionen um den Fall: Nahrungsergänzungsmittel. In solchen ist die Substanz schon oft nachgewiesen worden. Sachenbacher-Stehle ist eifrige Konsumentin dieser Nahrungsergänzungsmittel. Ihr Mentaltrainer versorge sie damit, heißt es. Und Sachenbacher-Stehle schreibt dazu in ihrer Stellungnahme: „Entsprechende Nahrungsergänzungsmittel hatte ich vorher im Labor prüfen beziehungsweise mir die Unbedenklichkeit von den Herstellern bestätigen lassen, um immer auf der sicheren Seite zu sein.“ Dementsprechend schockiert sei sie vom positiven Test gewesen.
Usus, sich entsprechende Mittel zuzuführen
Nach den Anti-Doping-Regeln sind die Athletinnen allein für all das verantwortlich, was in ihrem Körper gefunden wird. Bei einem positiven Dopingtest ist es an ihnen, die eventuelle Unschuld zu beweisen. Das kommt den Sportverbänden ganz gelegen. Bei positiven Tests zeigen sie mit dem Finger auf die Sportlerinnen. Sie selbst stellen sich so dar, als hätten sie gar nichts mit all dem zu tun, was die Sportlerinnen mit ihrem Körper machen. Am Samstagvormittag behaupteten also Michael Vesper, der Leistungssportdirektor des DOSB Bernhard Schwank und Verbandspräsident Alfons Hörmann unisono, dass den Sportlern immer wieder abgeraten wird, Nahrungsergänzungsmitteln zu nehmen. Sie taten so, als wüssten sie nicht, dass beinahe kein Sportler, ein Ausdauerathlet schon gar nicht, ohne diese Mittel auskommt. Es kann schon stimmen, was Schwank gesagt hat, dass im deutschen Team keine Nahrungsergänzungsmittel zentral vergeben werden. Dass es absolut Usus ist, sich entsprechende Mittel zuzuführen, das musste erst der Athletensprecher des DOSB, der frühere Eisschnellläufer Christian Breuer, bestätigen.
Ganz normal sei es, Proteinpräparate zu sich zu nehmen. Er machte sich – das sieht er wohl als seine Aufgabe als Athletensprecher an – zum Anwalt von Sachenbacher-Stehle und versuchte zu erklären, wie dieses Methylhexanamin in ein Nahrungsergänzungmittel kommen kann, das die Sportlerin für sauber hält. Erstens sei der Markt nicht so gut kontrolliert wie der für Medizin. Zum anderen könnte es zu Verunreinigungen kommen, wenn Mittel in Geräten abgefüllt würden, in denen zuvor mit Methylhexanamin hantiert wurde.
Dann verwies Breuer auf die „Kölner Liste“. In der werden Nahrungsergänzungmittel aufgeführt, die nach Tests als unbedenklich gelten.
Die Liste ist ein Service für Sportler, den der Olympiastützpunkt Rheinland in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für präventive Dopingforschung an der Sporthochschule Köln anbietet. Allein die Existenz dieses Service zeigt, dass auch die Verbände sehr wohl wissen, dass die meisten ihrer Athleten diese Fitnessprodukte schätzen, die nicht selten mit ihrer fettverbrennenden und muskelaufbauenden Wirkung einhergehen.
Und doch saßen da am Samstag drei Funktionäre und sagten, ihr Name sei Hase und sie wüssten von nichts. DOSB-Präsident Hörmann sagte, „diese Form der Unachtsamkeit hätte es nicht geben müssen und dürfen“. Aber wahrscheinlich waren sie nicht einmal überrascht, dass es „fünf, sechs, sieben“ (Vesper) Präparate waren, die Sachenbacher-Stehle da während Olympia eingenommen hat.
Die hat jetzt der Präsident des Deutschen Skiverbands an sich genommen. Franz Steinle, der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, ist gewiss ein ehrenwerter Mann, aber Beweismittel in einem Dopingfall dem Präsidenten eines Fachverbands zu übergeben, erinnert an Zeiten, als das Anti-Doping-Regime noch ganz allein bei den Sportverbänden lag. Es waren finstere Zeiten.