Dramatisiertes Klischee

FERNSEHEN Nach dem Radio Bremen-Tatort über kriminelle Familienclans kritisiert der Innenstaatsrat und Ex-Polizeipräsident den Sender: Der Krimi „stigmatisiere“. Positive Vorbilder müssten gestärkt werden

Der Bremer Tatort „Brüder“ erreichte am Sonntag 10,18 Millionen ZuschauerInnen. Das entspricht einem Marktanteil von 27,4 Prozent.

■ Erstmals hat ein Bremer Tatort die Zehn-Millionen-Zuschauer-Grenze überschritten. Damit ist diese Folge der Krimireihe Tagessieger im Quotenranking und der erfolgreichste Tatort des Bremer Senders aller Zeiten.  (taz)

Aus der Bremer Politik kommt deutliche Kritik am aktuellen Tatort von Radio Bremen, der am Sonntag in der ARD lief. Innenstaatsrat Holger Münch bemängelte den Krimi „Brüder“, weil er „zur „Stigmatisierung“ beitragen könne.

Es geht in dem Geschichte vor allem um Clan-Kriminalität und die Frage, ob sich die Clan-Mitglieder dauerhaft von ihrer familiären Umgebung lösen können. Ein Mann, der den Absprung fast geschafft habe, werde am Ende wieder kriminell, ganz nach dem Motto einmal dazugehörig, immer dazugehörig, so Münch, der früher Polizeipräsident war. „Genau das ist es ja, was wir nicht brauchen an Botschaften.“

In dem Fernsehkrimi geht es – ohne direkte Namensnennung und ohne dokumentarischen Hintergrund – um die Gruppe der ursprünglich aus dem Libanon stammenden Mhallamiye, die in Bremen in etwa 30 Großfamilien mit etwa 2.600 Angehörigen umfasst. Unter ihnen gibt es auch allerlei Straftäter.

„Wir sind den Nachwuchs angegangen, damit sie schlechten Vorbildern nicht nacheifern“, sagte Münch. Man habe sich um die „großen Brüder“ gekümmert, von denen der „Tatort“ handele. 2012 seien 86 Haftbefehle vollstreckt worden. „Wir haben einen Rückgang an schweren Straftaten mit Wirkung auf die jüngere Generation und Beruhigung im öffentlichen Raum.“

Positive Vorbilder sollten gestärkt werden, es gebe auch Akademiker, KFZ-Meister und Restaurantbesitzer unter den Familienangehörigen. Nach Münchs Überzeugung ist die Gleichsetzung eines Clans mit ihren kriminellen Köpfen ein großes Problem. „Ich befürchte, dass man alle Menschen aus einer bestimmten Gruppe oder mit einem bestimmten Namen für Kriminelle hält.“

Radio Bremen verteidigte den Krimi „Brüder“. Annette Strelow, Fernsehfilmchefin des Senders, sagte: „Der Tatort ist eine Krimireihe mit fiktionalen Geschichten. Natürlich gibt es Bezüge zur Realität.“ In diesem Fall sei das eben die organisierte Kriminalität, die in Bremen genauso wie in Berlin und anderen Großstädten vorkomme. Autoren und Regisseur hätten das zu einem Krimi dramatisiert.

Programmdirektor Jan Weyrauch verwies auf den Tatort-Liveblog, der während der Ausstrahlung fast 50.000 Mal aufgerufen wurde und den neu geschaffenen „Tatort-Hangout“, in dem unter anderem Regisseur Florian Baxmeyer, die Drehbuchautoren Dagmar Gabler und Wilfried Huismann und der Polizei-Gewerkschafter Lüder Fasche über den Film diskutierten. „Wir haben ein Thema aufgegriffen, das wir in den sozialen Netzen weiter diskutieren wollten – das war uns bei diesem Film wichtig“, so Weyrauch. Besonders oft ging es dabei um die Frage, wie realitätsnah dieser Tatort war.  (taz/dpa)

Der Tatort „Brüder“ ist noch in der Mediathek der ARD zu sehen