: „Ihre Frau war nicht lebensmüde“
VERZWEIFLUNGSTAT Weil er seine demente Ehefrau erstickte, muss ein 75-Jähriger für drei Jahre ins Gefängnis. Trotz Affekthandlung fürchtete das Gericht , mit einer Bewährungsstrafe ein falsches Zeichen zu setzen
Der 75-Jährige frühere Marine-Soldat und Justizvollzugsbeamte Otto L. wurde gestern vom Landgericht wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zukunftsangst und Hoffnungslosigkeit hatten den 75-Jährigen dazu gebracht, seine demente Ehefrau mit einem Kissen zu ersticken.
Die Pflege seiner Frau, Haus- und Gartenarbeit überforderten Otto L. zunehmend. Der Pensionär führte den Haushalt zuletzt allein, da seine Frau die meiste Zeit im Bett verbrachte. Die Pflege seiner 88-jährigen Frau belastete ihn enorm. Er war verärgert darüber, dass er seine Frau nicht überzeugen konnte, externe Hilfe anzunehmen. Gegen ihren Willen handelte er aber nicht.
Als dann Küchenmaschinen kaputt gingen und ihm ein Telefonvertrag „aufgeschwatzt“ wurde, konnte der depressive Mann seine Zukunftsangst nicht mehr bewältigen.
Ende März sah er keinen anderen Ausweg und wollte sich das Leben nehmen. „Ich habe es nicht übers Herz gebracht meine Frau allein zu lassen. Sonst hätte sie ins Heim gemusst“, begründete der Täter, wieso er seine Frau erstickte. Nach der Tat warf er sich vor einen Linienbus, verletzte sich dabei aber nur leicht.
Der Auffassung der Verteidigung folgend, bewertete das Gericht die Tat als Totschlag. Otto L. habe im Affekt gehandelt. Der Forderung nach einer Bewährungsstrafe folgte das Gericht nicht, denn: „Ihre Frau war nicht lebensmüde. Sie hätten sich gegen ihren Starrsinn durchsetzen müssen“, sagte Richter Wolfgang Backen. „Ich will mit diesem Urteil kein Zeichen setzen, das von Anderen missverstanden werden könnte“, begründete der Richter den Freiheitsentzug.
Das seit 43 Jahren verheiratete Ehepaar hatte keine Kinder. „Die sozialen Verbindungen funktionierten nicht mehr“, sagte Backen. Mit der Hoffnung auf frühzeitige Haft-Entlassung sei das Leben nicht perspektivlos. KAH